Anleger kein Freiwild für Schweizer Finanzhaie

Erstmals hat ein Oberlandesgericht einen Schweizer Vermögensverwalter zu Schadensersatz verurteilt, weil das Unternehmen in Deutschland ohne Erlaubnis der Finanzaufsicht auf Kundensuche ging. Das rechtskräftige Urteil gegen die MWB Vermögensverwaltung aus Zürich geht in seiner Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Es zeigt, wie sich Anleger in Deutschland gegen unseriöse Finanzdienstleister aus dem Ausland wehren können.

Das deutsche Anlegerrecht schützt auch Verbraucher, die sich hierzulande auf unseriöse Vermögensverwalter aus dem Ausland eingelassen haben. Das zeigt ein rechtskräftiges Urteil des Dresdner Oberlandesgerichts (OLG) gegen die MWB Vermögensverwaltung AG aus Zürich. „Das Schweizer Unternehmen hat in Deutschland systematisch Kunden akquiriert, ohne über die Erlaubnis der Finanzaufsicht zu verfügen“, begründet Rechtsanwalt Patrick Elixmann den Anspruch seines Mandanten auf rund 30.000 Euro Schadensersatz.

Das Urteil 8 U 328/07 ist rechtskräftig und könnte unter Anlegern eine Prozesswelle auslösen. Der Grund: Allein auf die MWB haben sich in Deutschland bis zu 35.000 Kunden eingelassen. Viele davon wurden von der Schweiz aus angesprochen und aktiv umworben. Nach dem gleichen Muster buhlen weitere Unternehmen wie etwa die Swiss Financial Partners AG aus Zug oder die Züricher Limmat Consulting AG um die Gunst der bundesdeutschen Anleger. Die Capital Asset Management AG lauert in Laufenburg laut Eigenwerbung „unmittelbar an der deutschen Grenze“

„Die Rechtsprechung ändert sich zu Gunsten der Verbraucher“

Lange konnten sich Unternehmen wie die MWB darauf verlassen, dass Schadensersatzklagen von deutschen Gerichten abgeschmettert wurden. Das Dresdner OLG-Urteil zeigt: „Die Rechtsprechung ändert sich zu Gunsten der Verbraucher“, sagt Anwalt Elixmann. Die Schweizer Vermögensverwalter wurden zuvor schon in gleicher Sache vom Landgericht Leipzig und in einem weiteren Fall vom Landgericht Bonn zu gut 41.000 Euro Schadensersatz plus Zinsen verurteilt (7 O 225/06).

Auch andere Geschäftemacher bekommen die juristische Wende zu spüren. Das Landgericht Duisburg verurteilte ein Luxemburger Unternehmen mangels behördlicher Erlaubnis zu Schadensersatz (6 O 418/05). Der Fidium AG aus dem Kanton St. Gallen erteilte wiederum das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main im Juli eine Lektion (1 E 4355/06[V]). Zuvor hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dem Schweizer Kreditvermittler die Geschäfte mit Bundesbürgern verboten.

„Beim juristischen Heimspiel haben Anleger größere Chancen“

Am OLG Dresden ging es im Urteilsfall um drei grundsätzliche Rechtsfragen, an denen Schadensersatzklagen früher scheiterten:

1. Sind deutsche Gerichte für Schadensersatzklagen gegen die MWB zuständig, obwohl das Unternehmen keine Filialen in Deutschland unterhält?

2. Welches Recht ist anzuwenden: das Deutsche oder Schweizer Recht?

3. Bedürfen Unternehmen mit Sitz im Ausland der Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), bevor sie in Deutschland akquirieren dürfen?

Alle drei Fragen wurden von den Richtern einhellig mit „ja“ beantwortet. Dabei bezogen sie sich unter anderem auf das Lugano-Übereinkommen. Demzufolge haben Verbraucher in grenzüberschreitenden Rechtsfällen beim Gerichtsort die freie Wahl zwischen ihrem Wohnsitzstaat und dem ihres Vertragspartners.

Die Frage nach dem anzuwendenden Recht beantworteten die Richter mit der Tatortregel. Demnach gilt – stark vereinfacht – das Recht desjenigen Staates, in dem auch die Rechtsverletzung statt gefunden hat. Für die Richter am OLG Dresden lag der Sachverhalt klar auf der Hand: „Das maßgeblich inkriminierte Verhalten der Beklagten hat in Deutschland statt gefunden“, heißt es im Urteil. Folglich war der Streitfall auch nach deutschem Recht zu entscheiden. Daran ändern auch die Vertragsklauseln nichts, mit denen MWB die Stadt Zürich zum Gerichtsort machen und das Schweizer Recht als maßgeblich festschreiben wollte.

Rechtsanwalt Elixmann rät deutschen Anlegern, die sich gegen MWB wehren wollen, schon aus prozesstaktischen Gründen zu einer Klage in Deutschland. „Das ist in etwa so wie beim Fußball: bei einem Heimspiel hat man die besseren Chancen“, erklärt der Siegburger Jurist. Zwar bietet die MWB aufgrund der unseriösen Geschäftsmethoden auch für Schadensersatzklagen in der Schweiz genügend Angriffsfläche. Doch die Schweizer verfügen im Gegensatz zu Deutschland nicht über ein vergleichbar anlegerfreundliches Aufsichtsrecht für Finanzdienstleister.

„Auf Basis des deutschen Aufsichtsrechts lässt sich leicht klagen“

Das Kreditwesengesetz (KWG) fordert von allen Anbietern, die in Deutschland gewerbsmäßig Bank- oder Finanzdienstleistungen erbringen wollen, eine schriftliche Erlaubnis durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Gegen diese Vorgabe hat die MWB systematisch verstoßen. „Das Schweizer Unternehmen hat in Deutschland nachweislich das Geschäft der Finanzportfolioverwaltung betrieben, ohne über die erforderliche Genehmigung der BaFin zu verfügen“, erklärt Rechtsexperte Elixmann.

Auf dieser Basis lässt sich leicht klagen. Denn die Gerichte gehen regelmäßig davon aus, dass Kunden keine Verträge unterschreiben, wenn sie vor Vertragsabschluss erfahren, dass dem Anbieter die Erlaubnis des Aufsichtsamts fehlt. Außerdem hat das OLG Dresden festgestellt, dass die Genehmigungspflicht nicht nur für Anbieter aus dem Inland oder ausländische Anbieter mit deutschen Filialen gilt, sondern auch für Unternehmen, die wie MWB vom Ausland aus über Kunden in Deutschland herfallen.

Genau das hat die MWB getan: Kunden in der Bundesrepublik systematisch und unaufgefordert angesprochen und ihnen Vertreterbesuche aufgeschwatzt. Deshalb konnte sich die MWB vor Gericht auch nicht damit herausreden, das Kreditwesengesetz habe für die MWB als Schweizer Unternehmen keine Bedeutung.Daran ändert sich auch nichts, wenn die MWB die Kunden zur Vertragsunterschrift in der Schweiz antanzen ließ. Darauf kam es letztlich nicht an. Denn sowohl die Kontaktanbahnung als auch die Beratungsgespräche fanden in Deutschland statt.

„Bei der MWB geriet schon die Kontaktanbahnung zum Tabubruch“

Das Unternehmen MWB ist Verbraucherschützern seit langem ein Dorn im Auge. Aus gutem Grund. Denn die Geschäftspraktiken der MWB sind alles andere als seriös. Schon die Kontaktanbahnung geriet regelmäßig zum rechtswidrigen Tabubruch. Um die Vertreterbesuche aus der Schweiz anzukündigen, engagierte die MWB in Deutschland eigens ein Call-center, das potenzielle Kunden nach dem Motto „Trial and Error“ anrief. Cold-calls heißt diese Kaltakquise via Telefon. In Deutschland ist so etwas verboten.

Die Liste mit beklagenswerten Tatbeständen ist lang. Sie reicht von irreführender Beratung über Gebührenschinderei bis zur Unterschlagung von Provisionen. Statt der versprochenen Vermögensverwaltung wurde den Kunden meist nur eine verkappte Kapitallebensversicherung untergejubelt. Diese Mogelpackung wurde als „Schweizer Sicherheitspaket“ oder „Schweizer Vermögensaufbauprogramm“ getarnt. Um so überraschter waren die Kunden, als sie später feststellen mussten, dass sie ihr Kapital in ein Fass ohne Boden geworfen hatten und aus den Verträgen nur mit Totalverlust herauskamen.

Dafür hat sich die MWB großzügig belohnt: Ein Agio in Höhe von fünf Prozent zu Vertragsbeginn, dazu eine saftige Auslandsbearbeitungsgebühr plus die laufenden Gebühren für die Vermögensverwaltung. Obendrein ließ sich die MWB von der Versicherungsgesellschaft für Vertragsabschlüsse bezahlen. Dass Vermögensverwalter solche Kickback-Zahlungen auch nach Schweizer Recht nicht behalten dürfen, hat bei MWB offenbar niemanden gestört. Man fühlte sich eben sicher hinter der Grenze. Die Kunden waren weit weg und wussten wenig. „Unsere Mandanten erhielten nicht einmal die Information, was mit ihrem Geld passierte“, berichtet Elixmann. Am Ende zeigt sich, dass sich die Geschäftemacher von MWB doch etwas überschätzt haben.