Bank muss auch erfahrene Anleger aufklären

Commerzbank: Aufklärung ist Pflicht / Quelle: Stockata.de
Commerzbank: Aufklärung ist Pflicht / Quelle: Stockata.de

Anleger der VIP-Medienfonds können ihren Anlageberater selbst dann erfolgreich auf Schadensersatz verklagen, wenn sie sich vor Vertragsabschluss als Anleger mit hohem Kenntnisstand und hoher Risikobereitschaft geoutet haben. Das zeigt ein Urteil vom Landgericht Frankfurt am Main gegen die Commerzbank (Aktenzeichen: 2/10 O 507/08).

„Mit den VIP-Medienfonds haben tausende Anleger herbe Verluste erlitten“, sagt Rechtsanwalt Michael Rainer von der Kanzlei GRP Rainer Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. „Schuld ist in vielen Fällen die Commerzbank. Deren Anlageberater haben die VIP-Medienfonds regelrecht in den Markt gedrückt und dabei systematisch gegen ihre Aufklärungspflichten verstoßen“, kritisiert Rainer.

Die Commerzbank war der Hauptvertriebspartner der VIP-Medienfonds. Die Anleger wurden mit Steuervorteilen geködert, die Risiken wurden dagegen klein geredet. Als der Fiskus später die Steuervorteile kassierte, mussten die Anleger Steuernachzahlungen in Millionenhöhe leisten. Seitdem beschäftigen die VIP-Medienfonds die Gerichte.

Im Urteilsfall ging es um eine Beteiligung im Nennwert von 50.000 Euro. Diese hatte ein Anlageberater der Commerzbank ihrem Kunden als sichere Kapitalanlage mit „100 Prozent Kapitalgarantie“ schmackhaft gemacht. Die Wahrheit sah anders aus. Die Kapitalgarantie entpuppte sich als Luftnummer. Für den Schaden soll die Commerzbank laut Frankfurter Urteil jetzt gerade stehen. Konkret geht das so: „Der Anleger wird so gestellt, als ob er die Beteiligung erst gar nicht eingegangen wäre“, erklärt Rechtsanwalt Rainer. Es geht um 50.000 Euro plus 2500 Euro Agio plus fünf Prozent Zinsen als Zugabe. Die Commerzbank soll auch für die steuerlichen Nachteile des Anlegers aufkommen und trägt laut Urteil die Kosten des Rechtstreits.

Anlageberater müssen über Provisionen aufklären

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Commerzbank zu Schadensersatz verurteilt, weil sie gegen die Aufklärungspflicht der Anlageberater verstoßen hat. Der Anlageberater der Bank hatte ihren Kunden nicht darüber aufgeklärt, dass die Commerzbank für jede vermittelte Fondsbeteiligung eine Provision kassiert. Diese Kickbacks beliefen sich beim dritten VIP-Medienfonds auf 8,25 Prozent der Beteiligungssumme.

Ein klassischer Pflichtverstoß. Denn Anlageberater müssen ihre Kunden über alle Sachverhalte informieren, die für die Entscheidung der Anleger wichtig sind. Dazu gehören neben den Risiken der Kapitalanlage auch Informationen über Provisionen (Kickbacks). Das Frankfurter Landgericht: „Diese Aufklärungspflicht dient der Offenlegung einer für den Anleger maßgeblichen Interessenkollision des Anlageberaters“. Wenn ein Anlageberater mit Kickbacks am Vertragsabschluss verdient, besteht für den Anleger die Gefahr, dass die Beratung nicht allein von seinen Kundeninteressen beeinflusst ist, sondern auch vom Provisionsinteresse des Beraters.

Auch erfahrene Bankkunden haben das Recht auf Aufklärung

Der Urteilsfall bietet eine interessante Besonderheit: Die Commerzbank verwies vor Gericht auf einen so genannten „Vermögensanlage-Bogen“. Mit diesem Formular lässt sich die Commerzbank von Kunden vor der Wertpapieranlage bestätigen, welche Erfahrung die Kunden mit Wertpapieranlage haben und welches Risiko sie dabei einzugehen bereit sind. Im Urteilsfall hatte sich der Anleger als erfahren eingestuft und die zweithöchste Risikostufe zugelassen. Daraus versuchten die Rechtsanwälte der Commerzbank dem Kunden einen Strick zu drehen. Doch ohne Erfolg. „Das Landgericht Frankfurt hat klar entschieden, dass auch erfahrene Anleger mit hoher Risikobereitschaft das Recht auf eine korrekte Aufklärung haben“, erklärt Rechtsanwalt Michael Rainer.

Die Commerzbank erfüllt ihre Aufklärungspflicht als Anlageberater auch nicht durch einen Hinweis auf Provisionen im Vermögensanlage-Bogen. Dort stand zwar, dass der Bank „im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften“ Geldzahlungen durch Dritte gewährt werden könnten. Doch das war dem Frankfurter Landgericht viel zu allgemein. Der Kunde habe vielmehr das Recht, in konkreten Einzelfall die genaue Höhe der Provision zu erfahren. Rechtsanwalt Rainer erklärt warum: „Nur so kann der Kunde einschätzen, wie stark das Eigeninteresse des Anlageberaters ist: Empfiehlt ihm der Anlageberater die Kapitalanlage tatsächlich aus Kundensicht, oder rät der Anlageberater nur deshalb zum Vertragsabschluss, weil er so selbst am meisten verdient?“

Anleger profitieren von Beweiserleichterung

Anleger müssen vor Gericht nur nachweisen, dass der Anlageberater gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen hat. Geht es um verschwiegene Kickbacks wie im Fall der VIP-Medienfonds, liegt der Pflichtverstoß schnell auf der Hand. Anschließend haben die Anleger ein einfaches Spiel. Denn bei solchen Pflichtverstößen greift die so genannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Anders ausgedrückt: „Die Richter gehen bei einem Verstoß des Anlageberaters gegen seine Aufklärungspflicht automatisch davon aus, dass der Anleger sich auf die Kapitalanlage nicht eingelassen hätte, wenn ihn der Anlageberater über alle entscheidungsrelevanten Sachverhalte aufgeklärt hätte“, erklärt Rechtsanwalt Rainer. Ist der Anlageberater anderer Ansicht, muss er das Gegenteil erst einmal vor Gericht beweisen. Das ist der Commerzbank im Urteilsfall nicht einmal ansatzweise gelungen.

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