Privatpatienten: Kündigung nach Rezeptbetrug oder Prügelattacke

Ein Privatpatient muss zwar bei Beitragsverzug nicht mehr mit einer außerordentlichen Kündigung der privaten Krankenversicherung rechnen, allerdings bei Rezeptbetrug oder Gewalt gegen Mitarbeiter der Versicherung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit zwei Urteilen die Grenzen für den 2009 neu eingeführten Schutz vor Kündigung der privaten Krankenversicherung abgesteckt.

Kündigung der privaten Krankenversicherung bei Rezeptbetrug

Im Fall mit dem Aktenzeichen IV ZR 50/11 hatte eine Versicherung den Vertrag für eine Krankheitskostenversicherung außerordentlich gekündigt und das mit dem Vorwurf des Rezeptbetrugs begründet. Die Versicherung warf ihrem Kunden vor, er habe in zwei Jahren 168 mal Medikamente zur Abrechnung eingereicht, tatsächlich viele Medikamente aber gar nicht bezogen und auch nicht bezahlt. Diese Methode habe die Krankenversicherung 3.813,21 € gekostet. Gegen diese außerordentliche Kündigung seiner Krankenversicherung klagte der Privatpatient mit einiger Ausdauer, aber ohne Erfolg. Alle Instanzen angefangen mit dem Landgericht Hannover (Aktenzeichen: 2 O 262/09) über das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen: 8 U 157/10) schmetterten die Klage des Privatpatienten ab. Diese Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof abgesegnet.

Private Krankenversicherung muss gewalttätige Kunden nicht versichern

Dass Handgreiflichkeiten gegen Mitarbeiter der Versicherung ein guter Grund für eine außerordentliche Kündigung sind, beweist der zweite Fall (Aktenzeichen: IV ZR 105/11). Ein Unternehmer erhielt von seiner privaten Krankenversicherung zunächst eine Herzoperation, anschließend das vereinbarte Krankentagegeld dun schließlich Besuch von einem Außendienstmitarbeiter. Letzteres hat dem Unternehmer, der einen Recycling-Park betrieb, offenbar nicht gefallen. Jedenfalls griff der Privatpatient mit dem schwachen Herzen zu einem Bolzenschneider und attackierte den Versicherungsvertreter. Die Versicherung kündigte den kompletten Vertrag mit privater Krankenversicherung, privater Krankentagegeldversicherung und privater Pflegepflichtversicherung.

Pflegepflichtversicherung vor außerordentlicher Kündigung geschützt

Die Kündigung von privater Krankenversicherung und Krankentagegeldversicherung ist rechtens. Was die private Pflegepflichtversicherung angeht, schoss die Versicherung dagegen über das gebotene Maß hinaus. Diese Police hat weiterhin Bestand, entscheid das Gericht mit Hinweis auf das Sozialgesetzbuch. Dort ist die außerordentliche Kündigung einer privaten Pflegepflichtversicherung ausgeschlossen.

Hintergrund: BGH klärt Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Der Bundesgerichtshof hat die Frage nach der außerordentlichen Kündbarkeit einer privaten Krankenversicherung mit Bezug auf das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) beantwortet. Das neu VVG gilt seit dem 1. Januar 2009. Der Gesetzgeber hat mit dieser Reform in das Versicherungsrecht drei Regeln eingeführt, die mit den beiden Urteilen des BGH eng zusammenhängen.

  1. Es gibt eine allgemeine Versicherungspflicht für Krankheitsrisiken. Wer in Deutschland wohnt, muss hierzulande eine Krankenkostenvollversicherung abschließen.
  2. Verbraucher haben gegenüber privaten Krankenversicherungen einen Anspruch auf Versicherung im so genannten Basistarif. Dieser ist mit einer Absicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse vergleichbar.
  3. Das VVG schließt wörtlich „jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung … durch den Versicherer “ aus.

Die dritte Regelung sorgt offenbar für Missverständnisse. Denn der Ausschluss der außerordentlichen Kündigung ist keinesfalls lückenlos. Wann die außerordentliche Kündigung der privaten Krankenversicherung verboten und wann sie doch erlaubt ist, hat der Bundesgerichtshof mit seinen beiden Urteilen nunmehr klar gestellt.

Demnach braucht kein Privatpatient mehr eine Kündigung wegen Prämienverzug zu befürchten. Diese Kündigung ist laut BGH eindeutig verboten. Anders „in Fällen schwerer Vertragsverletzung“, so der BGH. Dann komme „eine außerordentliche Kündigung durch den Versicherer in Betracht“.

Ist die außerordentliche Kündigung der privaten Krankenversicherung rechtmäßig, hat der Privatpatient beim bisherigen Versicherer auch keinen Anspruch auf Weiterversicherung im Basistarif. Ein ausreichender Schutz des Versicherungsnehmers wird laut BGH dadurch erzielt, dass der gekündigte Privatpatient bei einem anderen Versicherer auf sein Recht pochen könne, im so genannten Basistarif versichert zu werden.