Privater Ruin bei Firmeninsolvenz

Von wegen Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Wenn Unternehmer bei Gründung einer GmbH Fehler bei der Kapitaleinlage machen, droht ihnen im Insolvenzfall auch der persönliche Ruin. Denn dann prüft er Insolvenzverwalter, wie das Stammkapital der GmbH eingezahlt wurde. Stößt er auf verdeckte Sacheinlagen und formelle Fehler, bittet er die Gesellschafter ein zweites Mal zur Kasse.

Gegen diese Forderung der Insolvenzverwalter konnten sich Unternehmer lange Zeit kaum wehren. Doch das soll sich ändern. „Die GmbH-Reform beschert den Gesellschaftern bei verdeckten Sacheinlagen eine zweite Chance. Gelingt es ihnen, die Werthaltigkeit der Sacheinlagen nachträglich nachzuweisen, sind sie persönlich aus dem Schneider“, erklärt Rechtsanwalt Christian Bühring aus Hamburg die neue Rechtslage nach Inkrafttreten der GmbH-Reform.

Der Bundestag hat die GmbH-Reform am 26. Juni 2008 verabschiedet. Damit die Reform in Kraft treten kann, muss der Bundesrat das Gesetzespaket Mitte September erst noch absegnen. Offiziell heißt das Paragrafenwerk „Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG). Es handelt sich also um ein ganzes Bündel von Rechtsänderungen.

Von der Presse bisher kaum beachtet, reformiert der Gesetzgeber mit dem MoMiG auch die Spielregeln für die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung einer GmbH. Erstmals werden die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage im Gesetz geregelt. Die erfreuliche Nachricht für alle Gesellschafter: Ihre persönliche Haftung wird auf eine reine Differenzhaftung begrenzt. Damit schließt der Gesetzgeber eine seit Jahren bestehende Gerechtigkeitslücke.

Wie Sacheinlagen zur rechtlichen Zeitbombe werden

Hintergrund: Gewöhnlich ist das Stammkapital einer GmbH bei Gründung oder bei einer Kapitalerhöhungen bar einzuzahlen. In der Praxis wird das Stammkapital jedoch häufig als Sacheinlagen erbracht. Dazu zählen Maschinen, Immobilien, Marken, Patente und Forderungen.

Die Gesellschafter müssen den Wert der Sacheinlagen dem Handelsregister mit einem so genannten Sachgründungsbericht und Gutachten nachweisen. Doch das ist vielen offenbar zu kostspielig und zu umständlich. Das Problem: Ohne Erfüllung der Formalien gilt die Sacheinlage nicht als Kapitalzahlung. Diese Rechnung bleibt in der Regel offen, bis ein Insolvenzverwalter anrückt und die Gesellschafter zur Kasse bittet. „Die meisten ahnen nicht einmal, dass sie bei den Sacheinlagen etwas falsch gemacht haben“, sagt Bühring, „sonst würden sie ihre Fehler korrigieren, solange ihr Unternehmen noch solvent ist.“

Viele Sacheinlagen sind wie Tretminen. Sie explodieren, wenn das Management wirtschaftlich daneben tritt und das Unternehmen in die Insolvenz führt. Denn die Überprüfung der Sacheinlagen gehört für Insolvenzverwalter längst zur Routine. Werden sie fündig und stoßen auf formelle Fehler, können sie die formal nicht erbrachte Kapitaleinlage noch einmal eintreiben – selbst wenn die GmbH bei der Sacheinlage wirtschaftlich überhaupt keinen Nachteil hatte.

Problemzone 1: Unternehmensgründung

Formelle Fehler sind bei Sacheinlagen keine Seltenheit. Zum einen setzen Unternehmer regelmäßig auf die Sacheinlage, wenn es darum geht, eine Personengesellschaft in eine GmbH umzuwandeln. Aus verständlichen Gründen: Denn die Unternehmer wollen die vorhandenen Betriebsmittel und Vermögenswerte der Personengesellschaft natürlich in die neue GmbH einbringen. Zum anderen nehmen viele Unternehmer die obligatorische Sachgründung offenbar nicht richtig ernst, wie die gängige Praxis bei der Unternehmensgründung beweist.

Ein unter Unternehmern beliebter Weg ist es, das Kapital erstmal bar in die neue GmbH einzuzahlen. Mit diesem Geld kauft die GmbH den Gesellschaftern die Sachwerte nach erfolgter Eintragung in das Handelsregister ab. Schon schnappt die Falle zu. „Diese Konstruktion gilt als Versuch, die gesetzlichen Vorschriften zu umgehen, und damit als verdeckte Sacheinlage“, erklärt Rechtsanwalt Christian Bühring. Die Folge: „Die Kapitaleinlage gilt als nicht erbracht und muss im Insolvenzfall noch einmal gezahlt werden.“

Problemzone 2: Aufnahme neuer Gesellschafter

Verdeckte Sacheinlagen gibt es nicht nur bei Neugründungen. Das kommt auch bei der Aufnahme neuer Gesellschafter oft vor. Etwa wenn der neue Gesellschafters einen Beitrag in Gestalt von Maschinen oder Patenten leisten möchte und die Formalien dabei nicht beachtet werden.

Problemzone 3: Kapitalerhöhung

Juristische Laien kämen nicht einmal im Albtraum darauf, dass sie etwas falsch machen. Beispiel Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren: Diese Methode der Kapitalerhöhung kam in der Vergangenheit vor allem aus steuerlichen Gründen zu Einsatz. Bei dem Verfahren schüttet die GmbH in einem ersten Schritt Gewinne an die Gesellschafter aus. Anschließend zahlen die Gesellschafter die Gewinne als Kapitalerhöhung in ihre GmbH ein. Kaum ein Gesellschafter denkt bei diesem Finanzkarussell an eine Sacheinlage.

Ein fataler Irrtum!

Denn: Zwar gilt eine Kapitalerhöhung aus dem Vermögen der Gesellschafter fraglos als Bareinlage. Anders ist die Lage jedoch, wenn das Kapital aus den Gewinnen der GmbH stammt. Dann ist die Kapitalerhöhung plötzlich eine Sacheinlage.

Folglich müssen die Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung aus den Gewinnen ihrer GmbH zwingend die Sachgründungsregeln beachten. Nur so können sie nachweisen, dass die Gewinne bei der GmbH nicht nur in den Büchern standen, sondern auch wirklich werthaltig waren. Genau das haben viele Gesellschafter beim Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren nicht beachtet. Dass sie es nicht taten, hat sich in manch einem Insolvenzfall bereits bitter gerächt. Die Insolvenzverwalter konnten in besonders spektakulären Fällen sogar Forderungen in Millionenhöhe eintreiben.

Fehler bei Sacheinlagen rechtzeitig korrigieren

Über verdeckte Sacheinlagen sind schon viele Unternehmer nach der Firmenpleite auch persönlich in den Ruin gestürzt. Besonders juristische Laien denken meist nicht an diese Stolperfalle. Dabei lässt sich das Risiko aus dem Weg räumen. „Die Fehler bei der Kapitaleinzahlung lassen sich durchaus noch korrigieren“, sagt Rechtsanwalt Bühring. Allerdings müssten sich die Gesellschafter um ihre Problemzonen kümmern, solange ihre GmbH noch zahlungskräftig ist.

Anders im Pleitefall. In dieser Situation hatten die Gesellschafter bisher keine Chance, sich gegen die Forderungen des Insolvenzverwalters zu wehren. Denn nach alter Rechtslage kam es bisher lediglich auf Formalien an. Die Frage, ob die Gesellschaft – und damit die Gläubiger – tatsächlich einen wirtschaftlichen Schaden erlitten hatten, spielte keine Rolle.

GmbH-Gesellschafter bekommen zweite Chance

Genau an diesem Kritikpunkt setzt die GmbH-Reform mit dem MoMiG an. Zwar bleibt es dabei, dass Insolvenzverwalter unbezahlte Einlageforderungen eintreiben können. Doch in Zukunft entscheidet sich nicht allein an formalen Kriterien, ob das Stammkapital mit der Sacheinlage als erbracht gilt oder nicht. Es kommt vielmehr auf die wirtschaftlichen Tatsachen an.

Im Klartext: Hat die GmbH mit der Sacheinlage wirtschaftlich bekommen, was ihr zu dem jeweiligen Zeitpunkt zustand, muss der Gesellschafter später auch nichts nachzahlen. „Die Sacheinlage muss am Tag der Kapitaleinlage mindestens den Wert gehabt haben, der als Barkapital einzuzahlen gewesen wäre“, erklärt Rechtsanwalt Bühring.“ Lag der Wert der Sacheinlage niedriger, fehlt die Vollwertigkeit und es liegt nur eine Teilerfüllung vor. In diesem Fall muss der Gesellschafter nach neuen Recht nur die Differenz in bar nachzahlen.

Von der neuen Rechtslage profitieren Unternehmer, die den damaligen Wert der Sacheinlage im Insolvenzfall nachweisen können. Jede Unklarheit geht zu Lasten der Gesellschafter. “ Bühring rät GmbH-Gesellschaftern deshalb nach wie vor zur Vorsicht. „Wer Ärger von vornherein vermeiden möchte, sorgt rechtzeitig für ein Wertgutachten, das die Vollwertigkeit der Sacheinlage belegt.“

An einem ändert das Gesetz freilich nichts: an der grundsätzlichen Haftung der Gesellschafter. Sie müssen auch in Zukunft persönlich dafür gerade stehen, wenn ihrer GmbH durch verdeckte Sacheinlagen Schaden entsteht.