Widerrufsrecht bei Darlehen: Kniefall vor der Bankenlobby

Immobilie: Darlehen widerrufen / Foto: © R. v. Schönfels
Immobilie: Darlehen widerrufen / Foto: © R. v. Schönfels

Noch können Immobilieneigentümer bei alten Darlehen den so genannten ‚Widerrufsjoker‘ ziehen und Zinsen sparen. Doch das wird vermutlich nicht mehr lange funktionieren. Denn die Bundesregierung möchte das Widerrufsrecht bei Immobiliendarlehen mit dem geplanten Wohnimmobiliengesetz ändern. Hinter dem Eingriff in bestehende Kundenrechte steckt die Bankenlobby.

Hintergrund: Banken müssen ihre Kunden bei Verbraucherkrediten über das Widerrufsrecht belehren. Das gilt auch für Immobiliendarlehen, mit denen Bankkunden ihr Eigenheim oder eine Eigentumswohnung finanzieren. Bei den Belehrungen zum Widerrufsrecht haben Banken in den vergangenen Jahren oft und systematisch Fehler gemacht. Mit der Folge, dass Tausende von Bankkunden ihre Kredite selbst Jahre später noch widerrufen können. Denn die Widerrufsfrist beginnt bei einer falschen Belehrung erst gar nicht zu laufen. Dieses ‚ewige‘ Widerrufsrecht gilt für Darlehen, die seit dem 1. November 2002 geschlossen wurden.

Das ‚ewige‘ Widerrufsrecht spielte lange keine Rolle. Bis die Zinsen für Bankdarlehen nach der Finanzkrise in den Keller gingen. Denn seitdem lohnt es sich, ein altes Darlehen mit hohen Zinsen zu widerrufen und durch einen neuen Kreditvertrag mit niedrigeren Zinsen zu ersetzen (siehe Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Kündigungen alter Kredite machen Banken zu schaffen“). Genau das haben schon viele Darlehensnehmer getan. Genau das ist Banken ein Dorn im Auge. Genau deshalb wurden ihre Lobbyisten in Berlin aktiv. Offenbar mit Erfolg.

Denn die Bundesregierung plant ein Wohnimmobilienkreditgesetz. Zum Vorteil der Banken. Zum Nachteil der Kunden. In das geplante Gesetz wurde quasi durch die Hintertür eine Neuregelung des Widerrufsrechts eingeschleust. Jedenfalls stand diese Regelung noch nicht im ersten Entwurf des Gesetzes. „Laut Gesetzesentwurf sollen Bankkunden ihr Widerrufsrecht bei Kreditverträgen nur noch bis etwa Mitte des nächsten Jahres ausüben können, wenn sie von ihrer Bank falsch über das Widerrufsrecht belehrt wurden“, erklärt Mathias Corzelius, Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht von der Kanzlei Göddecke in Siegburg. Die Kanzlei Göddecke ist auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert und vertritt regelmäßig die Rechte von Verbrauchern, Bankkunden und Anlegern.

Kein Wunder, dass Verbraucherschützer und Anwälte für Bankrecht das geplante Wohnimmobilienkreditgesetz scharf kritisieren. Zumindest solche Rechtsanwälte, die auf der Seite der Bankkunden stehen. „Dieses Gesetzesvorhaben ist ein einziger Kniefall vor der Bankenlobby“, sagt Rechtsanwalt Corzelius. „Wir fordern alle Bundestagsabgeordneten dazu auf, ihre Aufgabe als Volksvertreter ernst zu nehmen und diesen ungeheuerlichen Eingriff in bestehende Rechte der Verbraucher zu verhindern“, sagt Rechtsanwalt Corzelius.

„Das Skandalöse bei diesem Plan ist, dass die Rechtslage offenbar nicht nur für die Zukunft verändert werden soll, sondern auch im Nachhinein in längst bestehende Rechte eingegriffen wird.“ Das Ganze ist ein Salto rückwärts. Denn das Gesetz sah bis 2002 ein Erlöschen von Widerrufsrechten vor. Das hat der Gesetzgeber damals willentlich geändert, indem er den ‚Erlöschens-Paragraf‘ gestrichen hat. Fazit: „Es war bislang der ausdrückliche gesetzgeberbische Wille, dass Widerrufsrechte ‚ewig‘ bestehen können“, sagt Rechtsanwalt Corzelius. „Es hat schon ein Geschmäckle, wenn der Gesetzgeber seinen Willen genau dann wieder zu ändern gedenkt, wenn ein Marktteilnehmer – nämlich die Banken – sich über die für ihn  nachteiligen Rechtsfolgen beschwert“, so der erfahrene Experte für Bankrecht aus Siegburg.

Als regelrechte Verhöhnung der Verbraucher weist Rechtsanwalt Corzelius die Begründung aus dem Ministerium zurück, das geplante Gesetz würde für Rechtssicherheit sorgen und dem Verbraucher keine Nachteile bescheren. „Die Rechtslage ist doch schon heute klar: Banken müssen über das Widerrufsrecht korrekt aufklären! Tun sie das nicht, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen und die Kunden können die Kreditverträge auch später noch widerrufen“, erklärt Rechtsanwalt Corzelius. Hier gibt also überhaupt keine unsichere Rechtslage, die der Gesetzgeber erst noch klar stellen müsste. Genauso klar ist freilich, dass dieses Recht der Kunden den Banken nicht schmeckt, die vor dem Hintergrund niedriger Darlehenszinsen tausende Kreditverträge rückabwickeln müssen. „Es ist offensichtlich“, findet Rechtsanwalt Mathias Corzelius, „dass eine Veränderung der Rechtslage allein zu Lasten der Bankkunden geht. Wenn ausgerechnet das Justiz- und Verbraucherschutzministerium das Gegenteil behauptet, beweist das nur, dass die Regierung die Bürger im Interesse der Banken für dumm verkaufen möchte.“

Im Übrigen könnten die Banken ihre Fehler bei der Widerrufsbelehrung nach geltender Rechtslage ohne Probleme selbst korrigieren. Dafür mnüssten sie nur eibnes tun: die betroffenen Kreditkunden nachträglich korrekt belehren. Doch das reicht den Banken offensichtlich nicht. „Das macht keine Bank! Weil kein Banker schlafende Hunde wecken möchte, indem er seine Kunden nochmals auf ihre Rechte hinweist“, sagt Rechtsanwalt Corzelius.

Stattdessen schicken Banken lieber ihre Lobbyisten an die Front! Um die Politik in ihrem wirtschaftlichen eigenen Interesse und zu Ungunsten der Kunden zu manipulieren.

Wer sich über seine Rechte beim Widerruf von Darlehen informieren möchte, wird im Internet fündig. Manche Kanzleien bieten kostenlos an, die Chancen beim Widerruf von konkreten Darlehen und Krediten zu prüfen. Auf der Website www.Widerrufsbelehrungen.de bekommen Bankkunden von der Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte Antworten auf häufige Fragen (FAQ) zum Kreditwiderruf. Außerdem bietet diese Website Informationen zu einem sehr ähnlichen Thema. Denn neben dem Widerruf von Darlehen geht es auch um den Widerspruch von kapitalbildenden Lebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen.