Erbengemeinschaft besser verstehen

Erbengemeinschaft

Erbengemeinschaften sind Zwangsgemeinschaften. Die Aufteilung des Nachlasses fällt oft schwer. Denn allen gehört alles gemeinsam. Doch wer bekommt was? Diese Frage führt schnell zum Streit. Am Ende steht oft die Zwangsversteigerung – und alle verlieren gemeinsam. Gastautor Stephan Seitz erklärt in einem Gastbeitrag, was Miterben einer Erbengemeinschaft wissen sollten.

Mit jedem Tod entsteht Neues. Hinterlässt ein Verstorbener mehrere Erben, entsteht von Gesetzes wegen eine Erbengemeinschaft einzelner Miterben. Da Erbengemeinschaften damit Zwangsgemeinschaften bilden, gewährt das Erbrecht jedem einzelnen Miterben das Recht, unabhängig von der Größe seines Erbteils jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen. Erbengemeinschaften sind also nicht auf Dauer angelegt. Ihr Bestand ist permanent in der Schwebe. Zwangsläufig bieten Erbengemeinschaften allzu oft ein hohes Konfliktpotenzial. Das Gesetz versucht, Lösungswege aufzuzeigen.

Konfliktpotenziale in der Erbengemeinschaft vermeiden

Haben sich die Miterben entschieden, die Erbschaft anzutreten, ist zu klären, welches Interesse einzelne Miterben an einzelnen Nachlassgegenständen und am Nachlass insgesamt haben.

Auf jeden Fall ist es so, dass alle Miterben unabhängig von ihrer Erbquote gleichberechtigt sind und nur gemeinsam über den Nachlass verfügen können. Erbengemeinschaften sind Gesamthandsgemeinschaften. Jedem gehört alles gemeinsam. Kein einzelner Miterbe hat Anspruch auf einzelne Nachlassgegenstände. Keiner kann allein verfügen. Jeder Miterbe benötigt die Zustimmung des anderen. Sofern dann jeder glaubt, er komme zu kurz, blockiert man sich gegenseitig.

Zwangsläufig sind die Interessen meist unterschiedlich. Vielleicht möchte ein Miterbe die Bierdeckelsammlung des Vaters übernehmen, ein anderer ist am elterlichen Wohnhaus interessiert und der Dritte im Bunde benötigt nichts als schnelle Liquidität.
Konflikte entstehen oft, wenn nach Eintritt des Erbfalls sofort der Nachlass gesichtet und Ansprüche angemeldet werden. Besser ist, Trauerzeiten zuzugestehen und emotionale Interessen am Nachlass zu respektieren.

Wege die Erbengemeinschaft abzuwickeln

Im Idealfall verständigen sich die Miterben, wie sie den Nachlass untereinander aufteilen. Jeder bekommt, was ihm gebührt. Damit beschließen die Miterben ausdrücklich oder in schlüssiger Form einen Teilungsvertrag und regeln, wer was bekommt. Wer schnelle Liquidität benötigt, kann seinen Erbanteil auch gegen eine Abfindung aufgeben. Er scheidet aus der Erbengemeinschaft aus, sein Erbanteil wächst den verbleibenden Miterben zu. Das Gesetz spricht von Abschichtung und Anwachsung.

Sind die übrigen Erben nicht bereit, diesen Weg zu gehen, kann ein Miterbe seinen Anteil auch an einen Dritten oder einen Miterben verkaufen. Auch auf diesem Weg erspart er sich den vielleicht konfliktträchtigen Weg der Auseinandersetzung. Beim Verkauf an einen Dritten haben die übrigen Erben allerdings ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Jeder Miterbe hat dann das Recht, den Erbanteil des Verkäufers zu den Bedingungen zu übernehmen, die er im Kaufvertrag mit dem Dritten vereinbart hat. Sind die Miterben jedoch zerstritten, bleibt in letzter Konsequenz nur noch die Möglichkeit, den gesamten Nachlass versteigern zu lassen. Wer diesen Weg geht, muss damit rechnen, dass Nachlasswerte regelrecht verschleudert werden.

Wer den Nachlass versteigert, riskiert Wertverluste

Im ungünstigsten Fall muss die Erbengemeinschaft zwangsweise aufgelöst werden. Dann werden einzelne Nachlassgegenstände oder der gesamte Nachlass versteigert. Vermögenswerte unterliegen dem Pfandverkauf, Grundstücke der Teilungsversteigerung. Insbesondere die Teilungsversteigerung von Grundstücken führt erfahrungsgemäß dazu, dass der Meistbietende die Immobilie bei einem Gebot zugeschlagen bekommt, dass weit unter dem Verkehrswert liegt, den die Miterben bei einem freihändigen Verkauf hätten erzielen können. Besonders biestige Miterben missbrauchen diesen Weg, um im Versteigerungstermin selbst Gebote abzugeben, in der Erwartung, man könne die Immobilie so besonders günstig erwerben.

Doch auch nach der vollständigen Versilberung der Nachlasswerte haben die Miterben meist noch keinen unmittelbaren Zugriff auf den Erlös. Ist ein Miterbe der Meinung, dass ein Miterbe bereits früher Zuwendungen vom Erblasser erhalten habe, die auf seinen Erbanteil anzurechnen sind, setzt sich der Streit über das Versteigerungsverfahren hinaus fort. Dann bleibt nur die Option, auf Teilung des Erlöses zu klagen. Eine solche Teilungsklage erweist sich oft gleichfalls wieder als Hindernis. Denn die Erbengemeinschaft muss einen Teilungsplan erstellen, dem entsprechend die einzelnen Erbteile aufzuteilen sind. Einwendungen anderer Miterben torpedieren diesen Teilungsvertrag allzu oft.

Der Erblasser hat es in der Hand eine Erbengemeinschaft zu vermeiden

Im Idealfall bauen Erblasser vor. Meist sind die Erben bekannt. Ist abzusehen, dass Streitigkeiten programmiert sind, kann der Erblasser durch entsprechende Gestaltungen in einer letztwilligen Verfügung wie Testament oder Erbvertrag per Vermächtnis oder Teilungsanordnung im Detail bestimmen, wer welche Vermögenswerte erhalten soll. Er klärt damit alle Fronten und vermeidet die Konstellation einer unliebsamen Erbengemeinschaft.

Absehbare Streitigkeiten lassen sich nicht zuletzt auch dadurch vermeiden, dass der Erblasser testamentarisch einen Testamentsvollstrecker einsetzt, der nach seinen Vorgaben den Nachlass unter den Miterben verteilt. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung empfiehlt sich auch bei großen Vermögenswerten, insbesondere wenn der Erblasser Unternehmer war, um zu vermeiden, dass Vermögenswerte zwecks Liquiditätsbeschaffung verschleudert werden.

Fazit zur Erbengemeinschaft

Erbengemeinschaften können Fluch und Segen zugleich sein. Vielleicht hat es der Erblasser gerade darauf angelegt und amüsiert sich ob des Streits der Miterben. Ist der Streit aber nicht in seinem Sinne, sollte es ein Gebot des Respekts gegenüber dem Erblasser sein, seinen Nachlass so aufzuteilen, dass jeder Miterbe einen angemessenen Anteil daran hat. Jeder Kompromiss fördert die Auseinandersetzung.

Autor: Stephan Seitz, Hereditas – Ratgeber Erbengemeinschaft