Fiskus fordert bei Exporten in EU-Länder Transportnachweis

Transport: Nachweis für das Finanzamt / Quelle: Fotolia
Transport: Nachweis für das Finanzamt / Quelle: Fotolia

Der Fiskus versucht betrügerische Umsatzsteuerkarusselle mit immer mehr Bürokratie auszubremsen. Doch das belastet kleinere und mittlere Unternehmen, die ihre Waren europaweit verkaufen. Die Wirtschaftskanzlei DHPG erklärt, welche Nachweispflichten Unternehmen bei steuerfreien Lieferungen in andere EU-Länder beachten müssen.

Hintergrund: Spielregeln zur Umsatzsteuer bei Exporten in die EU

Bei Exporten in Länder der Europäischen Union (EU) gelten besondere Regeln für die Umsatzsteuer. Diese lassen sich am einfachsten an einem Beispiel erklären: Ein deutsches Unternehmen liefert Waren an ein Unternehmen in Italien. In diesem Fall wird die Umsatzsteuer wie folgt geregelt:

  1. Das italienische Unternehmen erklärt in Italien die Umsatzsteuer für die empfangenen Waren.
  2. Dabei gilt der italienische Umsatzsteuersatz.
  3. Das deutsche Unternehmen stellt die Waren dem italienischen Unternehmen als „innergemeinschaftliche Lieferung“ steuerfrei, also ohne Umsatzsteuer, in Rechnung.

Diese Handhabung der Umsatzstreuer ist allerdings an die folgenden drei Bedingungen geknüpft:

  1. Der ausländische Besteller und Empfänger ist Unternehmer.
  2. Der ausländische Besteller und Empfänger erwirbt die Waren für seine Firma.
  3. Der deutsche Lieferant muss gegenüber den Finanzbehörden belegen, dass die Ware tatsächlich von Deutschland in ein anderes EU-Land gelangt ist.

Genau an dieser Stelle haben sich die Finanzbehörden eine bürokratische Schikane ausgedacht, über die kleinere oder mittelständische Unternehmen in der Praxis schnell stolpern können, und im schönsten Bürokratendeutsch „Gelangensbestätigung“ getauft. Damit muss „der ausländische Käufer dem deutschen Unternehmen nach Abschluss der Lieferung den Erhalt der Ware bestätigen“, erklärt die Wirtschaftskanzlei DHPG.

Eigentlich schreibt der Fiskus eine solche Gelangensbestätigung schon seit 1. Januar 2012 vor. Doch die Vorschrift wurde laut DHPG „wegen praktischer Schwierigkeiten bislang nicht von allen Unternehmen angewendet.“ Will heißen: Der Wunsch der Bürokraten erwies sich nicht gerade als praxistauglich.

Bundesfinanzministerium vereinfacht Nachweispflichten für steuerfreie Lieferungen

Immerhin: Das Bundesfinanzministerium hat die Nachweispflichten für steuerfreie Lieferungen in EU-Länder mit einem Schreiben an die Finanzbehörden ein bisschen vereinfacht. Seit 1. Oktober 2013 gelten etwas einfachere Nachweispflichten für steuerfreie Exporte in andere EU-Länder. Dabei gewährt die Finanzverwaltung eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2013. Trotzdem rät DHPG Unternehmen, die neuen Regelungen schon jetzt anzuwenden. Denn: Für die Übergangsregelung gebe es überhaupt keine gesetzliche Grundlage. Das könnte im Streitfall zu einer bösen Überraschung führen, weil die Übergangsregelung vor Gericht eventuell gar keinen Bestand habe.

So richtig zufrieden sind die Steuerexperten mit dem neuen Ukas aus dem Bundesfinanzministerium aber auch nicht. „Auf der einen Seite profitieren Unternehmen von Erleichterungen“, sagt Steuerberater Klöttschen, „auf der anderen Seite ergeben sich neue Probleme.“ Es beginnt schon damit, dass es für Unternehmen in Italien, Spanien oder Frankreich keine vergleichbaren Vorschriften gibt. Die Folge: Deutsche Unternehmen müssen ihren Kunden in Italien, Spanien und Frankreich erst einmal beibringen, den Warenerhalt zu kontrollieren und den Empfang zu bestätigen. „Kommt diese Bestätigung nicht, kann die Lieferung nicht umsatzsteuerfrei erfolgen“, warnt Steuerberater Klöttschen.

Alternative Nachweise statt Gelangensbestätigung

Vom 1. Oktober 2013 an sind (teilweise) auch alternative Nachweise zulässig. Welche Alternativen zur Gelangensbestätigung im Einzelfall möglich sind, hängt davon ab, ob und wie die Ware ins EU-Ausland versendet oder befördert wird.

  • Bringt eine Spedition die Ware zum Abnehmer, reicht der handelsübliche Frachtbrief. Dieser muss aber die Unterschriften des Auftraggebers und des Empfängers als Bestätigung für den Erhalt der Ware tragen.
  • Alternativ kann der Nachweis, dass die Ware ins EU-Ausland gelangt ist, auch per Spediteursbescheinigung erfolgen. Diese muss dann aber auch den Monat des Transportendes angeben. Bei der bisher gebräuchlichen weißen Spediteursbescheinigung war das nicht nötig. Die Spediteursbescheinigung kann folglich nicht mehr zu Beginn der Beförderung ausgestellt werden. Um hier keine Fehler zu begehen, sollten Unternehmen das neue Muster der Bescheinigung verwenden, das die Finanzverwaltung veröffentlicht hat.
  • Schicken deutsche Unternehmen die Ware per Kurierdienst zum ausländischen Kunden, reichen die schriftliche oder elektronische Auftragserteilung und ein Protokoll des Dienstleisters, das den Transport bis zur Ablieferung beim ausländischen Kunden lückenlos dokumentiert (so genanntes „Tracking-and-Tracing-Protokoll“).
  • Senden deutsche Firmen die gewünschten Teile per Post, genügen eine Bestätigung über die Entgegennahme des Abnehmers durch den Postdienstleister und ein Nachweis über die Bezahlung.

Nachweispflichten erzwingen organisatorischen Aufwand

Je mehr Alternativen Unternehmen ausschöpfen wollen, desto größer ist der organisatorische Aufwand. Tipp der Wirtschaftskanzlei DHPG: Unternehmen sollten Nachweispflichten nach Versandtypen unterscheiden. Dafür sollten Unternehmen jetzt die betriebliche Informationstechnik so einrichten, dass die Kosten für die notwendigen Belegnachweise überschaubar bleiben. Zudem sind verbindliche Verhaltensregeln festzulegen sowie Mitarbeiter von Auftragsannahme, Versand und Rechnungswesen systematisch zu schulen und für Fehlerquellen zu sensibilisieren.

Lieferbeziehung bestimmt, was der beste Nachweis ist

DHPG empfiehlt Unternehmen, zunächst die vorhandenen Lieferbeziehungen zu analysieren und dann zu entscheiden, welcher Nachweis für welche Lieferbeziehung praktikabel ist. „Lieferanten sollten den Dialog mit ihren Kunden und den eingeschalteten Transportunternehmen suchen, um nicht eine vermeintlich optimale Lösung einzuführen, die in der Praxis an den Widerständen der Beteiligten scheitert“, rät DHPG-Berater Klöttschen. Dann sollten Lieferanten ihre EU-Kunden darüber informieren, welche neuen Belege sie künftig benötigen und was von ihnen erwartet wird.

Was Unternehmer bei EU-Lieferungen mindestens nachweisen müssen

Unabhängig davon, mit welchem Formular oder welchem Nachweis der deutsche Unternehmer seine EU-Lieferungen belegt, muss er in der Regel folgende Mindestangaben erfüllen:

  • Name des Abnehmers im EU-Ausland
  • Anschrift des Abnehmers im EU-Ausland
  • Handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Ware
  • Menge der gelieferten Ware
  • Ort der Beendigung des Transportes
  • Monat der Beendigung des Transportes
  • Ausstellungsdatum und Unterschrift des Abnehmers oder seines Beauftragten

Sammelbestätigung für mehrere Lieferungen möglich

„Bei regelmäßigen Geschäftsbeziehungen dürfte sich die Gelangensbestätigung als Regelnachweis durchsetzen“, erwartet DHPG-Steuerberater Klöttschen. Denn für diesen Fall sind auch Sammelbestätigungen möglich. Zum Beispiel für alle Lieferungen in einem Monat oder in einem Quartal. Außerdem darf das Formular auch auf andere Dokumente wie etwa Rechnungen oder Lieferscheine verweisen. Das Ganze funktioniert ebenso im E-Mail-Verkehr. Vorteil: In diesem Fall darf auch die Unterschrift fehlen. Der Unternehmer schreibt einfach eine E-Mail an seinen Kunden mit den notwendigen Angaben und fordert ihn auf, dies per Antwort-Mail zu bestätigen. Klöttschen: „Der lückenlose Rücklauf der Mails muss allerdings streng kontrolliert und ordnungsgemäß archiviert werden.“

Wie Exporteure mit Belegeingang und Nachweisen richtig umgehen

Gerade die Vielfalt möglicher Nachweise birgt die Gefahr von Unstimmigkeiten. In diesem Fall steht die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung auf der Kippe. Umso dringlicher sind klare firmeninterne Regelungen, wie Belege nachzuhalten und Nachweise zu archivieren sind:

Nachkontrolle: Die Nachweise werden erst zeitversetzt nach Abschluss des Transportes ausgestellt. Exporteure müssen den Eingang aller Belege nachhalten und die entsprechenden Nachweise archivieren.

Reihengeschäfte: Eigentlich quittiert der eigene Abnehmer den Empfang der Ware. Doch nicht selten wird Ware über mehrere Lieferanten an den Endabnehmer befördert oder versendet. Dann fungiert der Endabnehmer als Vertreter des eigenen Abnehmers und unterschreibt.

Abholfälle: Holt der Endkunde die Waren selbst ab und befördert sie in das EU-Ausland verlangt der Gesetzgeber prinzipiell eine Gelangensbestätigung. Dies ist für Lieferanten riskant, denn sie haben auf den Rücklauf des Nachweises kaum Einfluss. Gegebenenfalls sollten Unternehmen auf Abholfälle verzichten oder Sicherheiten einbehalten bis der Nachweis eingeht.

Spediteursversicherung: Lässt der Auslandskunde die Ware abholen, kann der Spediteur versichern, dass er sie ins EU-Land bringt. Das reicht grundsätzlich. Bei begründeten Zweifeln wird das Finanzamt aber weitere Nachweise fordern.

Vertretungsberechtigung: Werden Frachtbrief oder Gelangensbestätigung von Mitarbeitern des Abnehmers unterschrieben, muss der Exporteur darauf achten, dass die entsprechenden Personen auch vertretungsberechtigt sind. Dies erweist sich in der Praxis meist als sehr schwierig.

Archivierung: Bei der Übermittlung der Belege per E-Mail muss auch die E-Mail des Kunden archiviert werden. Die Archivierung kann elektronisch, aber auch in ausgedruckter Form erfolgen.

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