Praktiker AG bittet Anleihegläubiger zum Aderlass

Die Praktiker AG plant einen Angriff auf die Rechte ihrer Anleihegläubiger. „Die Praktiker AG will die Gläubiger einer Anleihe zu einem radikalen Zinsschnitt zwingen. Das wird kein harmloser Haarschnitt, sondern eine Kahlrasur“, sagt Rechtsanwalt Daniel Vos.

Laut Rechtsanwalt Vos setzt die Baumarktkette Praktiker auf ein Instrument im neuen Schuldverschreibungsgesetz. Dieses funktioniert laut Vos nach dem Motto „mitgefangen heißt mitgehangen“.

Konkret geht es um die Inhaberschuldverschreibung der Praktiker AG mit der Kennnummer ISIN DE000A1H3JZ8. Die Praktiker AG hat die Gläubiger dieser Anleihe zu einer Abstimmung auf dem Postweg aufgefordert. Das Ziel: Die Anleger sollen per Mehrheitsbeschluss auf den Löwenanteil der Zinsen verzichten. Für die Restlaufzeit der Anleihe sollen sie sich mit einem Prozent pro Jahr (1 % p.a.) zufriedengeben. Dabei hat Praktiker die Anleihe einst mit einem Zinssatz von 5,875 Prozent p.a. emittiert.

Rechtsanwalt Vos warnt Anleihegläubiger vor einer Zustimmung. „Dieser Zinsschnitt kommt die Anleger teuer zu stehen“, sagt Vos. „Die Praktiker AG würde über die Restlaufzeit der Anleihe von vier Jahren mehr als 48 Millionen Euro an Zinsen sparen.“ Für Anleger würde die Anleihe sogar zum Verlustgeschäft. Denn die von Praktiker geforderte Verzinsung von einem Prozent pro Jahr deckt nicht einmal die Inflationsrate.

„Der Vorstand von Praktiker versteckt sich vor den Gläubigern“

Für Kritik des Anlegeranwalts sorgt auch das Verfahren, mit dem die Praktiker AG bei der Anleihe den Zinsschnitt durchboxen möchte. Denn es wurde keine Gläubigerversammlung einberufen. Stattdessen sollen die Anleger per „Briefwahl“ ihrer Rasur zustimmen. Rechtsanwalt Vos fragt sich, „warum sich der Vorstand der Praktiker AG vor den Gläubigern versteckt?“

„Ein Grund könnte der Mangel an überzeugenden Argumenten sein“, vermutet Vos. Jedenfalls geizt das Unternehmen mit konkreten Informationen über die Hintergründe. „Es ist nicht zu erkennen, warum der Verzicht bei der Anleihe erforderlich oder sinnvoll sein sollte“, kritisiert Vos. Auch die Informationen auf der Internetseite der Praktiker AG sind spärlich, teilweise widersprechen sie sogar der Notwendigkeit eines Zinsverzichts bis 2016. Denn das Management der Praktiker AG hofft, bis 2014 eine solide Ertragslage herbeizuführen. Sanierungsbeiträge anderer Beteiligter sind laut Rechtsanwalt Vos ebenfalls nicht erkennbar.

Wer sich an der Abstimmung auf dem Postweg beteiligt, muss auf der Hut sein. Die Praktiker AG hat die Abstimmung auf den 22. und 24. März 2012 terminiert. „Die Gläubiger der Anleihe sollten ihre Rechte im Abstimmungsverfahren unbedingt wahrnehmen und zum Beispiel Gegenanträge stellen“, rät die Anlegerkanzlei Göddecke Rechtanwälte. Bei der Abstimmung müssen die Anleger strenge Formalitäten einhalten und zum Beispiel eine Depotbestätigung mit Sperrvermerk vorlegen. Eine solche Bestätigung müssen sich Anleger aber erst einmal beschaffen, sonst zählt ihre Stimmabgabe nicht.

„Setzt sich der Vorstand durch, müssen alle Anleihegläubiger bluten“

Das Verfahren bietet eine weitere Gefahr für Anleger, die in die Anleihe investiert haben. Der Praktiker AG genügt eine Beschlussquote von 50 Prozent des Nennbetrages der Anleihe. Erreicht Praktiker diese Quote, reicht dem Unternehmen die einfache Mehrheit, um den Plan durchzusetzen. „Dann müssen alle Anleihegläubiger bluten. Denn ein Beschluss im Sinne von Praktiker gilt für alle Anleger, die in die Anleihe investiert haben. Auch für diejenigen, die dagegen gestimmt oder erst gar nicht abgestimmt haben“, sagt Rechtsanwalt Daniel Vos.