Die Europäische Union (EU) will die Deklaration der Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Leistungen von 2010 an vereinfachen. Deutschland hat das EU-Mehrwertsteuer-Paket 2010 bereits mit dem Jahressteuergesetz 2009 in nationales Recht umgesetzt. Unternehmen tun gut daran, sich auf die Änderungen im Umsatzsteuergesetz frühzeitig einzustellen. Sonst drohen unangenehme Überraschungen und finanzieller Schaden.
Zu den wichtigsten Änderungen gehören:
- Der Leistungsort für Dienstleistungen wird neu definiert
- Zusätzliche Erklärungspflichten werden eingeführt
- Das Vergütungsverfahren für ausländische Vorsteuer wird modifiziert
Mit diesen Änderungen sind zusätzliche Rechnungsangaben sowie neue Einreichungsfristen und Prozesse verbunden. „Das Mehrwertsteuer-Paket 2010 hat weit mehr Auswirkungen als es auf den ersten Blick scheint“, betont Gert Klöttschen, DHPG-Berater mit langjähriger Erfahrung in internationalen Umsatzsteuerfragen. „Jeder Unternehmer sollte prüfen, inwieweit die Neuregelungen für das eigene Geschäft relevant sind.“
Neuer Leistungsort
Von 2010 an wird der Ort der Dienstleistung steuerlich neu definiert. Galt bislang meist das Ursprungslandprinzip, wird in Zukunft vor allem das Bestimmungslandprinzip maßgeblich sein. Die Folge: Grenzüberschreitende Dienstleistungen zwischen Unternehmen sind meistens am Ort des Leistungsempfängers zu versteuern. Steuerschuldner wird dann der im Ausland ansässige Auftraggeber (Reverse-Charge-Verfahren).
Für das dienstleistende Unternehmen ist das eine Erleichterung. Denn die umsatzsteuerliche Registrierung in anderen EU-Staaten entfällt. Allerdings dürfen die Unternehmen in ihren Ausgangsrechnungen keine deutsche Umsatzsteuer ausweisen, sonst schuldet das dienstleistende Unternehmen diesen Betrag der deutschen Finanzverwaltung.
Auch der umgekehrte Fall birgt Gefahren: Beim Empfang von Dienstleistungen aus EU-Mitgliedstaaten müssen die Unternehmen darauf achten, dass sie die Umsatzsteuer regelmäßig schulden. Eine Auszahlung der Umsatzsteuer an den Leistungserbringer darf nicht erfolgen. „Gerade in der Übergangszeit ist erhöhte Vorsicht angebracht“, warnt DHPG-Steuerberater Klöttschen. „Werden die Neuregelungen nicht beachtet, gehen Unternehmen nicht zu unterschätzende Steuerrisiken ein.“
Härtere Anforderung für die Zusammenfassende Meldung (ZM)
Auch die Anforderungen an die Zusammenfassende Meldung (ZM) ändern sich grundlegend. Zukünftig müssen neben den innergemeinschaftlichen Lieferungen auch alle innergemeinschaftlich erbrachten Dienstleistungen erfasst werden. Damit wächst die Zahl der Unternehmen, die eine ZM abzugeben haben. Außerdem wächst ihr Umfang.
Eine weitere EU-Vorgabe sieht vor, dass die ZM ab 2010 wesentlich zeitnäher als bisher zu erstellen ist. Die Möglichkeit, die Einreichungsfrist um einen Monat zu verlängern (Dauerfristverlängerung) wird entfallen. Unternehmen werden ihre Abläufe ändern müssen, um die Zeitvorgabe einzuhalten. Verstöße gegen die Meldepflicht gelten als Ordnungswidrigkeit und können mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden. Die ZM dient weiterhin als Kontrollinstrument der Finanzverwaltung: Wer unrichtige Angaben macht, muss mit Überprüfungen rechnen.
Anträge auf Vorsteuererstattung werden künftig in dem Land gestellt, in dem das erstattungsberechtigte Unternehmen ansässig ist – und zwar ausschließlich in elektronischer Form. In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern zuständig. Es prüft Anträge dahingehend, ob das Unternehmen vorsteuerabzugsberechtigt ist, und leitet sie innerhalb einer 15-tägigen Frist an die Steuerbehörden im jeweiligen Mitgliedsland weiter.
Richtig angewandt, bietet die neue EU-Regelung viele Vorteile: Firmen müssen bei der Erstattung künftig nur die Antragsmodalitäten im eigenen Land beachten. Sprachbarrieren entfallen, Originalbelege sind nicht mehr vorzulegen. Außerdem muss die zuständige Behörde im jeweiligen Mitgliedsland Zinsen zahlen, wenn die Rückerstattung nicht fristgerecht erfolgt. Aber Achtung: Das Unternehmen muss den Erstattungsbetrag selbst ermitteln und den Antrag bis spätestens zum 30. September des Folgejahres vollständig vorlegen.
Rechtzeitig die nötigen Vorbereitungen treffen
Das Mehrwertsteuer-Paket bietet zwar einige Erleichterungen im Bereich der Umsatzsteuer, erfordert aber Umstellungen in der Finanzbuchhaltung. Die DHPG-Experten empfehlen Firmen, jetzt die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
- Kompetenz aufbauen: Unternehmen sollten die verantwortlichen Mitarbeiter frühzeitig schulen und Aufgaben klar zuweisen. Wichtige Details der neuen Regelung werden im hektischen Tagesgeschäft sonst leicht übersehen. Am besten einen Mitarbeiter als zentralen Koordinator bestimmen.
- Prozesse anpassen: Das Dienstleistungsspektrum ist mit Blick auf erforderliche Anpassungen durch das Mehrwertsteuer-Paket zu analysieren. Die Finanzbuchhaltungssoftware ist darauf zu überprüfen, ob sie den neuen Anforderungen genügt. Ggf. sind neue Konten und Kontenschlüssel einzurichten.
- Daten aktualisieren: Kundenstammdaten sind hinsichtlich der rechtlichen Firmierung zu prüfen. Nur so lassen sich Umsätze mit Unternehmen (B2B) und mit Endverbrauchern (B2C) eindeutig zuweisen. Es muss zwischen Umsätzen in Verbindung mit ausländischen Unternehmen und ihren inländischen Betriebsstätten differenziert werden. Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (USt-IdNr.) von EU-Kunden sollten nicht nur erfragt, sondern auch durch das Bundeszentralamt für Steuern qualifiziert bestätigt werden. Tipp: Alle Daten rechtzeitig erfassen und ins EDV-System einpflegen.
- Rechnungsformulare anpassen: Auf Ausgangsrechnungen an EU-Firmen ist der Leistungsempfänger als Steuerschuldner zum Beispiel durch den Zusatz „Reverse-Charge“ oder „Steuerschuld verlagert“ zu vermerken. Auch die USt-IdNr. des ausländischen Geschäftspartners wird zur Pflichtangabe.
- Steuerschuld prüfen: Bei Leistungseinkäufen von ausländischen Unternehmen ist zu kontrollieren, ob die Pflicht zur Übernahme der Steuerschuld besteht. Gerade in der Übergangsphase sollten sich die Unternehmer nicht allein auf die Angaben ihrer Geschäftspartner in den Eingangsrechnungen verlassen.