Pflichtteil: Trostpreis für Enterbte

Nachlass: Streit um Testament und Pflichtteil / Foto: © Rüdiger v. Schönfels
Nachlass: Streit um Testament und Pflichtteil / Foto: © Rüdiger v. Schönfels

enn Eltern ihre Kinder komplett „enterben“ wollen, geht das meist schief. Warum? Weil der enterbte Nachwuchs einen Pflichtteil fordern kann. Das Erbrecht lässt nur im Ausnahmefall zu, dass Erblasser ihre nächsten Verwandten vom Pflichtteil ausschließen können. Daily Paragraph erklärt, was Erblasser, ihre Erben und die enterbten Nachkommen über das Pflichtteilsrecht wissen sollten.

Kapitel 1: Was bedeutet „enterben“ im Erbrecht und was hat das mit dem Pflichtteil zu tun?

Enterben im juristischen Sinne bedeutet etwas anderes als in der Alltagssprache. Wenn zum Beispiel ein Vater seinen Sohn oder seine Tochter „enterbt“, meint er damit in aller Regel, dass der Sohn oder die Tochter überhaupt nichts vom Erbe abbekommen soll. Genau das lässt das Gesetz aber nur in Ausnahmefällen zu. Denn die Kinder des Erblassers gehören grundsätzlich zu den pflichtteilsberechtigten Verwandten. Bei ihnen gilt: Nur wer sich ein schwerwiegendes Fehlverhalten zu Schulden kommen lässt, verspielt seinen Pflichtteilsanspruch.

Was aber gilt laut Gesetz als schwerwiegendes Fehlverhalten?

In diese Kategorie gehören auf alle Fälle die ganz bösen Absichten, etwa wenn ein Sohn seinen Eltern nach dem Leben trachtet. Mit diesem Plan verwirkt jeder pflichtteilsberechtigte Angehörige seinen Anspruch auf den Pflichtteil.

Den Anspruch auf Pflichtteil setzen pflichtteilsberechtigte Angehörige auch aufs Spiel, wenn sie den Erblasser zu Lebzeiten schwer misshandeln. Denn das gilt laut Gesetz ebenfalls als schwerwiegendes Fehlverhalten.

Früher konnten Erblasser pflichtteilsberechtigte Angehörige im Testament sogar für einen „ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel“ bestrafen. Das hat sich erst mit der Erbrechtsreform zum 1. Januar 2010 geändert. Seitdem dürfen Erblasser im Testament zwar immer noch über den Lebenswandel ihrer Angehörigen herziehen. Doch hat diese Moralpredigt keine Folgen mehr für den Pflichtteilsanspruch der Hinterbliebenen. Diesen behalten pflichtteilsberechtigte Hinterbliebene also auch dann, wenn sie den Erblasser zu Lebzeiten mit ihrer Lebensart enttäuscht haben.

Was meinen Rechtsanwälte und Richter, wenn sie von „enterben“ sprechen?

Juristisch bedeutet „enterben“ lediglich, dass der Erblasser einen nahen Angehörigen, der nach der gesetzlichen Erbfolge durchaus etwas erben würde, im Testament oder Erbvertrag nicht als Erben eingesetzt hat.

Die gesetzliche Erbfolge ist das Grundmodell der Erbfolge. Sie bestimmt, welche Verwandten im Erbfall zum Zuge kommen, wenn der Erblasser ohne Testament und Erbvertrag stirbt.

Doch Vorsicht: Nicht jeder gesetzliche Erbe ist automatisch auch pflichtteilsberechtigt (siehe Kapitel 4).

Was ist der Pflichtteil im Verhältnis zum Nachlass?

Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs, also die Hälfte dessen, was ein Nachkomme ohne Testament oder Erbvertrag bekommen hätte. Allerdings haben pflichtteilsberechtigte Nachkommen kein Recht auf die Gegenstände im Nachlass. Ihr Pflichtteilsanspruch bezieht sich lediglich auf den Wert des gesamten Erbes.

Wie heißt das richtig: Pflichtteil oder Pflichtanteil?

Bei der Bezeichnung des Pflichtteils werden oft Fehler gemacht. Umgangssprachlich ist oft von einem Pflichtanteil die Rede. Doch das ist falsch! Das Gesetz kennt nur den Pflichtteil.

Sie finden im Ratgeber Pflichtteil diese Kapitel:

  1. Was bedeutet „enterben“ laut Erbrecht ?
  2. Was ist der Pflichtteil ?
  3. Warum gibt es den Pflichtteilsanspruch ?
  4. Wer ist pflichtteilsberechtigt ?
  5. Was passiert mit dem Pflichtteil bei einer Scheidung ?
  6. Haben Erben, die ihren Erbteil ausschlagen, Anspruch auf einen Pflichtteil ?
  7. Wie wird der Pflichtteil berechnet ?
  8. Was ist der Zusatzpflichtteil oder Restpflichtteil ?
  9. Wie wird eine Schenkung beim Pflichtteil berücksichtigt ?
  10. Wann droht der Verlust des Pflichtteils ?
  11. Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch ?