Für Geschäftsführer und Vorstände wird eine drohende Insolvenz ihrer Unternehmen schnell zum persönlichen Risiko. Wer seine Pflichten als Unternehmenschef nicht kennt, läuft schnell in eine Haftungsfalle. Die Kanzlei DHPG erklärt, was die Firmenchefs bei drohender Insolvenz beachten müssen.
„Wenn ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, mindestens 90 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten binnen drei Wochen zu begleichen, ist der Insolvenzantrag zu stellen“, erklärt Rechtsanwalt Dirk Obermüller von der Wirtschaftskanzlei DHPG in Bonn. „Bei Insolvenzgefahr ist jede Forderung genau zu prüfen, um eine persönliche Haftung auszuschließen.“ Die rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus dem GmbH-Gesetz, Aktiengesetz, Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Handelsgesetzbuch oder Strafgesetzbuch und aus der Insolvenzordnung.
Welche Zahlungen die Firmenschefs stoppen müssen
Droht eine Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, muss das Unternehmen grundsätzlich alle Zahlungen stoppen. Doch auch bei diesem Zahlungsverbot gibt es Ausnahmen. So dürfen die Geschäftsführer solche Zahlungen leisten, die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs nötig sind. Dazu zählen Überweisungen für Miete, Strom und Wasser, die Gehälter und Rechnungen für Reparaturen. Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt oder der Sozialversicherung haben Vorrang. „Geschäftsführer haften bei Insolvenzgefahr nicht nur für verbotene, sondern auch für unterbliebene Zahlungen“, sagt Rechtsanwalt Dirk Obermüller von der Kanzlei DHPG.
Wie komplex und praxisrelevant die Haftungsproblematik ist, zeigen Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH). In einem Urteil bestätigte der BGH, dass Zahlungen von einem debitorischen Bankkonto an einzelne Gesellschaftsgläubiger nicht gegen das Zahlungsverbot verstoßen. Es handele sich um einen masseunschädlichen Gläubigertausch. Allerdings steht der Vorwurf des Eingehungsbetruges zu Lasten der Bank im Raum, wenn dem Geschäftsführer bei der Zahlung die Insolvenzreife schon bekannt war.
Warum Firmenchefs an Löhne, Gehälter und Arbeitnehmeranteile denken müssen
Ein zweites Urteil bekräftigt, dass nicht nur Löhne, sondern auch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung privilegiert sind. Diese Beträge dürfen ohne Haftungsrisiko abgeführt werden. Denn der Geschäftsführer verwaltet die Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungen wie die Lohnsteuer nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer. Also haben diese Zahlungen stets Vorrang vor anderen Gläubigerforderungen. Doch Vorsicht: Das gilt nicht für die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Deren vorrangige Abführung ist sorgfaltswidrig.
In der Praxis gibt es viele Grenzfälle. Im Streitfall muss der Geschäftsführer beweisen, dass er seine Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Rechtsanwalt Obermüller rät: „Geschäftsführer sollten eine Beweisvorsorge treffen und die Gründe für Zahlungsanweisungen schriftlich dokumentieren.“
Alle Haftungsfallen im Blick
Bei Liquiditätsproblemen lauert in jeder Zahlung ein persönliches Haftungsrisiko. Geschäftsführer sollten offene Forderungen besonders sorgfältig prüfen. Es empfiehlt sich frühzeitig qualifizierten Rat einzuholen, um die komplexe Rechtssituation zu überblicken und kritische Punkte zu erkennen.
1. Kritischer Zeitpunkt: Tritt Insolvenzreife ein, herrscht grundsätzlich ein Zahlungsverbot. Bleibt dieser Zeitpunkt unbemerkt, bewahrt dies nicht vor rechtlichen Konsequenzen. Der Geschäftsführer haftet mit seinem Privatvermögen, wenn er seine Sorgfaltspflicht verletzt. Es sind nur Zahlungen zulässig, die notwendig sind, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dies wird von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt.
2. Kritische Reihenfolge: Zahlungen an das Finanzamt und die Sozialversicherung haben Vorrang vor anderen Gläubigerforderungen. Dazu zählen die Lohn-, Umsatz-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer. Gleiches gilt für die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Die Beträge sind fällig, sobald die Arbeitsleistung erbracht wurde.
3. Kritische Aufteilung: Der Geschäftsführer haftet, wenn er bei Insolvenzgefahr nicht alle zulässigen Gläubigerforderungen, einschließlich die des Finanzamts, etwa im gleichen Verhältnis befriedigt. Reichen die Mittel nicht aus, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, um auch die entsprechende Lohnsteuer abführen zu können.