Die Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues wirft einem ehemaligen Mitarbeiter des Ordnungsamts vor dem Arbeitsgericht Trier Untreue vor. Rechtsanwältin Margit Bastgen kritisiert zu Prozessbeginn, dass die Gemeinde ihrem Mandanten das Recht verweigert habe, sich im Vorfeld der Kündigung gegen die ihrer Ansicht nach rufschädigenden Anschuldigungen zu wehren.
Hat sich ein Mitarbeiter von Bernkastel-Kues an den Gebühren des Ordnungsamtes bereichert? Das zumindest behauptet die Verwaltung der Verbandsgemeinde derzeit vor dem Arbeitsgericht Trier. Dort hat diesen Mittwoch (15.08.2012) die erste Beweisaufnahme im Kündigungsschutzprozess eines entlassenen Mitarbeiters gegen die Verbandsgemeinde begonnen. „Gleich zu Prozessbeginn wurde klar, dass die Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues an einer ernsthaften Aufklärung nicht interessiert ist. Sie hat gegen meinen Mandanten schwerwiegende Vorwürfe erhoben, ihn damit öffentlich in Verruf gebracht, ihm aber keine faire Chance geben, die Anschuldigungen im Vorfeld zu klären“, sagt Rechtsanwältin Margit Bastgen von der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Dr. Bastgen Rechtsanwältinnen in Wittlich.
Bastgens Mandant wehrt er sich vor dem Arbeitsgericht Trier gegen eine so genannte Verdachtskündigung. Die Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues habe ihn Ende 2011 „kurz vor dem wohlverdienten Ruhestand nach 43 Dienstjahren entlassen“, so Rechtsanwältin Bastgen, weil sie ihn der Unterschlagung verdächtigt. Tatsache sei, dass ihr Mandant im Ordnungsamt für Kassen mit Bargeld zuständig gewesen sei, zu denen auch eine Vielzahl anderer Kollegen Zugang gehabt hätten. Die Verbandsgemeinde behaupte, ihr Mandant habe aus der Kasse in vier Fällen 1500 Euro gestohlen und den Diebstahl durch Buchungsmanipulationen verschleiert.
Mitarbeiter haben Recht auf Anhörung im Vorfeld
Beim Kammertermin in Bernkastel-Kues ging es zunächst um die strittige Frage, ob die Gemeinde die Rechte ihres Mitarbeiters bei der Verdachtskündigung gewahrt hat. „Ein Mitarbeiter hat vor Ausspruch einer Verdachtskündigung das Recht auf eine Anhörung. Zu einem Anhörungsgespräch muss er ordnungsgemäß eingeladen werden. Er muss wissen, was ihm vorgeworfen wird und dass er mit einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Zu dieser Anhörung darf er eine Person seines Vertrauens hinzuziehen, zum Beispiel den Personalrat oder einen Rechtsanwalt. Anders kann er sich gegen die Vorwürfe und Kündigung im Anhörungsgespräch nicht wehren“, erklärt Margit Bastgen, Fachanwältin für Arbeitsrecht.
So eine Anhörung hat es laut Bastgen aber nicht gegeben. Der damalige Vorgesetzte ihres Mandanten habe diesen lediglich zu einem Gespräch zur Sachaufklärung von Unregelmäßigkeiten gebeten, ohne anzudeuten, dass der Mandant für die Unregelmäßigkeiten verantwortlich gemacht wird und Gefahr für sein Arbeitsverhältnis besteht. Im Gespräch ging es zunächst um die Darstellung der Ergebnisse einer Prüfung von Kassenbüchern im September 2011.
Erst am Ende des Gesprächs, als man ihn aufgefordert habe, die Büroschlüssel zurückzugeben, habe ihrem Mandant geschwant, dass Gefahr für seinen Arbeitsplatz bestünde. Das belegt laut Bastgen auch die Gesprächsnotiz des damaligen Büroleiters. Dazu im Widerspruch stehe dessen überraschende Aussage vor Gericht, er habe seinen Mitarbeiter bereits bei der Einladung zu dem Gespräch darauf hingewiesen, dass sich der Verdacht gegen ihn richte und er mit einer Kündigung rechnen müsse, falls er die Vorwürfe nicht aufklären könne. Der Mitarbeiter fühlte sich offenbar überrumpelt. „Ich war überrascht. So einen Vorwurf muss man erstmal verdauen. Hätte ich gewusst, um was es gehen sollte, hätte ich mich auf das Gespräch vorbereiten können. Jedenfalls hätte ich mich darauf nicht ohne Unterstützung meiner Rechtsanwältin eingelassen“, sagt er in einer Pressemitteilung seiner Rechtsanwältin zum Prozessbeginn.
Rechtsanwältin sieht Widerspruch in Zeugenaussage
Nach der überraschenden Zeugenaussage des Büroleiters hat Bastgens Mandant den Bürgermeister Ulf Hangert vor Gericht aufgefordert zuzustimmen, dass er seine Version in einer förmlichen Parteianhörung schildern darf, um im Prozess Waffengleichheit herzustellen. „Doch dazu waren die Vertreter von Bernkastel-Kues nicht bereit. Hier geht es offensichtlich nicht darum, einem langjährigen Mitarbeiter mit Fairness zu begegnen“, kritisiert Rechtsanwältin Bastgen die Ablehnung der Gegenseite. „Der Mandant gerät durch diese Taktik in Beweisnot. Offensichtlich gibt es in Bernkastel-Kues bei den Verantwortlichen keine Einsicht, dass ein Verdacht auch einen Unschuldigen treffen kann.“
Zweifel an Organisation der Barkassen in Bernkastel-Kues
Oder gibt es für das Verhalten der Vorgesetzten andere Gründe? Rechtsanwältin Margit Bastgen hält einen Zusammenhang mit einem Pflichtverstoß des Bürgermeisters für möglich. „Der Bürgermeister von Bernkastel-Kues ist für eine ordentliche Organisation der Barkassen seiner Gemeinde verantwortlich. Unsere Recherchen haben ergeben, dass hier seit Jahren geschlampt wird. Das belegen unter anderem Prüfberichte der Aufsichtsbehörde. Ein weiteres Indiz: Die Verbandsgemeinde hat seit 2009 keine Jahresabschlüsse vorgelegt. Mir scheint, hier sucht jemand einen Sündenbock und glaubt, diesen in unserem Mandanten gefunden zu haben.“
Wie undurchsichtig die Kassenlage in Bernkastel-Kues sei, zeige ein weiterer Vorwurf gegen Bastgens Mandanten. Die Verbandsgemeinde fordere von dem geschassten Mitarbeiter 184.000 Euro Schadensersatz. Doch bei der Forderungsaufstellung für Zeiträume bis 2002 habe sich Bernkastel-Kues verrannt. „Diesen Fehlbetrag konnte die Verbandsgemeinde aus ihrer Buchführung bisher nicht einmal der Höhe nach belegen, geschweige denn ihren Vorwurf, mein Mandant sei für diese mutmaßlichen Fehlbeträge verantwortlich“, kritisiert Rechtsanwältin Bastgen. Statt die mangelhafte Buchführung in Ordnung zu bringen und Fehlbeträge aufzuklären, versuche die Verbandsgemeinde von ihren Versäumnissen abzulenken, indem sie die Polizei mit Ermittlungsarbeiten beschäftige.