Um die Rezession zu meistern, prüfen Arbeitgeber die verschiedenen Möglichkeiten des Arbeitsrechts. Je nach Situation ziehen die Unternehmen anschließend die passenden Register. Die Kanzlei Dr. Schreiner + Partner aus Attendorn im Sauerland erklärt, was bei den Maßnahmen arbeitsrechtlich zu beachten ist.
Arbeitszeitkonten ins Minus fahren
Diese Möglichkeit haben Unternehmen mit entsprechendem Arbeitszeitmodell. Aber auch bei ihnen könnte sich der Spielraum als zu klein erweisen. Denn das Minus auf den Arbeitszeitkonten muss in bestimmten Zeiträumen ausgeglichen werden, etwa binnen Jahresfrist. Rechtsanwalt Dirk Schreiner aus Attendorn erklärt: „Die Arbeitgeber befürchten, dass die Krise länger dauert und der Ausgleichzeitraum nicht ausreicht.“
Abbau freiwilliger Leistungen
„Darüber denken zur Zeit alle Arbeitgeber nach“, sagt Schreiner. Kein Wunder, denn die freiwillig gezahlten Leistungen sind das am schnellsten realisierbare Einsparpotential. Hierzu gehören Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Boni. Außer sie sind tarifvertraglich festgelegt. Dann können Arbeitgeber allenfalls streichen, was sie bisher freiwillig oben drauf gelegt haben. Für viele Arbeitnehmer heißt das: „Sie sollten sich in diesem Jahr keine allzu großen Hoffnungen auf ein üppiges Wehnachtsgeld machen“, so Arbeitsrechtsexperte Dirk Schreiner aus Attendorn.
Widerruf von Lohnanteilen
Laut Bundesarbeitsgericht lassen sich bis zu 25 Prozent des Jahresgehalts als flexibler Lohn deklarieren. Stehen Lohnanteile laut Arbeitsvertrag unter Widerrufsvorbehalt, kann der Arbeitgeber diese in der Wirtschaftskrise kassieren. Doch Vorsicht: Arbeitgeber müssen genau prüfen, ob der Widerrufsvorbehalt auch noch nach der aktuellen Rechtsprechung wirksam ist. „Das Bundesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Formulierung dieser Klauseln bis ins Absurde hochgeschraubt“, kritisiert Schreiner. Die Folge: Manche Unternehmen müssen in der Krise Mitarbeiter nur deshalb entlassen, weil sie deren flexible Leistungen nicht wie ursprünglich gedacht zurückfahren können.
Kurzarbeit
Um Unternehmen von Kündigungen abzuhalten, hat die Bundesregierung eine Verlängerung beim Kurzarbeitergeld auf maximal 18 Monate beschlossen. Beim Kurzarbeitsgeld übernimmt die Bundesanstalt für Arbeit 60 Prozent des bisherigen Nettolohns der Arbeitnehmer. Rechtsanwalt Schreiner glaubt zwar, dass die Verlängerung bei den Unternehmen ankommt. Fraglich ist allerdings, ob damit schon die Gefahr einer Kündigungswelle gebannt ist. Laut Schreiner werden viele Unternehmen auf die staatliche Stütze schon deshalb verzichten, weil sie sich sonst ausgerechnet in der Krise die Hände binden. Denn solange kurz gearbeitet wird, sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. „Wer Kurzarbeit fährt, bestätigt damit automatisch, dass der Auftragsrückgang nur vorübergehend ist“, erklärt der Attendorner Experte für Arbeitsrecht. Bei betriebsbedingten Kündigungen verlangen Arbeitsgerichte jedoch den Nachweis eines dauerhaften Wegfalles von Arbeit.
Betriebsbedingte Kündigung
Andere Arbeitgeber wollen die Krise mit einer Schlankheitskur meistern. „Die Arbeitgeber suchen derzeit verstärkt nach Synergieeffekten“, sagt Schreiner. Wenn Unternehmen Standorte zusammenlegen, Betriebsteile schließen oder Hierarchien ausdünnen, hat das arbeitsrechtlich einen großen Vorteil. „Diese gestaltenden Unternehmensentscheidungen sind vom Arbeitsgericht nicht angreifbar. Folglich machen die betriebsbedingte Kündigungen im Zuge dieser Maßnahmen keine Schwierigkeiten“, erklärt Schreiner. Schwerer haben es dagegen Unternehmen, die betriebsbedingte Kündigungen mit der miesen Auftragslage begründen müssen. In diesem Fall verlangen Arbeitsgerichte den Nachweis, dass der Auftragsrückgang auch wirklich dauerhaft zum Wegfall der Arbeit führen wird.
Krankheitsbedingte Kündigung
Nachdem viele Arbeitgeber den Krankheitsstand in ihrem Unternehmen jahrelang nicht überprüft haben, rückt die Möglichkeit von krankheitsbedingten Kündigungen in der Krise wieder in ihr Visier. Die krankheitsbedingte Kündigung ist bei Mitarbeitern erlaubt, die in den letzten drei Jahren mindestens 30 Arbeitstage pro Jahr krankheitsbedingt gefehlt haben. Allerdings muss es sich um prognosefähige Fehltage handeln. Das heißt im Grunde nichts anderes, als dass nur die Fehltage aufgrund von chronischen Krankheiten mitzählen. Da Arbeitnehmer die Gründe ihrer Krankschreibung aber nicht offen legen müssen, besteht hier bei den Arbeitgebern Unsicherheit. Rechtsanwalt Schreiner rät deshalb dazu, auf Nummer sicher zu gehen und Mitarbeitern erst ab 45 Fehltagen krankheitsbedingt zu kündigen.
Flucht aus Tarifverband
Auch Arbeitgeberverbände müssen sich auf einen Aderlass einstellen. In den kommenden Monaten werden immer mehr Mitglieder den Rücken kehren. „Viele Unternehmen planen, kurzfristig aus ihrem Arbeitgeberverband auszutreten, damit Sie die nächste Tarifrunde nicht erwischt“, sagt Rechtsanwalt Schreiner. Dass die Absetzbewegung in der Finanzkrise an Fahrt gewinnt, liegt an der Angst vor steigenden Lohnkosten. „Diese Arbeitgeber befürchten, dass sich die nächsten Tarifverhandlungen nur an der Vergangenheit orientieren und die Unternehmen in der Krise unverhältnismäßig hoch belasten“, sagt Schreiner. Den Austritt aus dem Arbeitgeberverband müssen Arbeitgeber fristgerecht erklären. Wer die meist sechs Monate nicht mehr abwarten kann, kann auf eine so genannte OT-Mitgliedschaft umschalten. OT heißt „Ohne Tarifbindung“. Mit dieser Form der Mitgliedschaft versuchen Arbeitgeberverbände den Mitgliederschwund zu stoppen. Der Vorteil: „Der Wechsel zur OT-Mitgliedschaft ist fristlos möglich“, erklärt Schreiner. So können Arbeitgeber auch in Branchen mit kurz bevorstehenden Tarifrunden der nächsten Tariferhöhung ausweichen.