Lebensversicherung zählt bei Berechnung der Pflichtteile mit

Rechenaufgabe: Im Erbfall wird abgerechnet / Quelle: Stockata.de
Rechenaufgabe: Im Erbfall wird abgerechnet / Quelle: Stockata.de

Streiten sich die Nachkommen um das Erbe, kommt auch die Lebensversicherung auf den Tisch. Zum Zankapfel wird sie vor allem dann, wenn es um den Pflichtteil für enterbte Nachkommen geht. Der Bundesgerichtshof hat jetzt die lange umstrittene Frage neu geregelt, mit welchem Wert die Lebensversicherung bei der Berechnung der Pflichtteile berücksichtigt werden muss (Aktenzeichen: IV ZR 230/08).

Hintergrund: Wer laut Testament enterbt wird, geht trotzdem nicht ganz leer aus. Zumindest die nächsten Angehörigen des Verstorbenen wie Ehepartner, Kinder, Eltern haben einen Anspruch auf den Pflichtteil. Das Recht auf den Pflichtteil haben diese Verwandten des Erblassers allerdings nur, sofern sie bei der gesetzlichen Erbfolge an der Reihe gewesen wären. Anders ausgedrückt: Die Eltern des Verstorbenen kommen beim Pflichtteil erst zum Zuge, wenn er keine Kinder hinterlässt.

Wer im Testament enterbt wird, hat Anspruch auf den Pflichtteil

Der Pflichtteil macht die Hälfte des vererbten Vermögens aus. Bei dem Anspruch geht es nur um den Wert, nicht aber um einen Anspruch auf Gegenstände. Beim Pflichtteil werden auch Schenkungen berücksichtigt. So will der Gesetzgeber verhindern, dass der Erblasser seinen erbberechtigten Nachkommen kurz vor seinem Tod ein Schnippchen schlägt und sein Vermögen verschenkt.

Wörtlich steht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 2325 Absatz (1):

„Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigten als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.“

Dieser Paragraf sorgt auch für die Berücksichtigung einer Lebensversicherung bei der Berechnung des Pflichtteils. Denn die Policen laufen in vielen Fällen auf eine makabere Art von Schenkung hinaus. Stirbt der Versicherte, kassiert ein Dritter die Versicherungssumme. Wer das genau ist, bestimmt der Versicherte zu Lebzeiten über das so genannte Bezugsrecht. In der Praxis wurden die Policen oft eingesetzt, um das Erbe zu manipulieren. Diese Gestaltungsmöglichkeiten wird das neue Urteil sicher verändern.

Lebensversicherungen als Mittel der Manipulation beim Nachlass

Bei den meisten Lebensversicherungen handelt es sich um Verträge mit widerruflichem Bezugsrecht. Widerruflich heißt: Der Versicherte kann selbst auf dem Strebebett noch bestimmen, wer die Versicherungssumme letztlich erhalten soll. Entsprechend logisch ist es, dass diese Lebensversicherungen beim Pflichtteil berücksichtigt werden müssen. Lange ging es dabei nur um die Beiträge, die der Verstorbene zu Lebezeiten in die Lebensversicherung einbezahlt hat. Doch das war in Fachkreisen umstritten.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt per Urteil klar gestellt, worum es bei dieser Rechtsfrage wirklich geht: Um den Wert, den die Lebensversicherung kurz vor dem Tod des Versicherten hat. Denn über diesen Wert konnte der Verstorbene bis kurz vor seinem Ende noch verfügen.

Der Wert der Lebensversicherung zählt beim Pflichtteil mit

Doch wie berechnet man den wahren Wert einer Lebensversicherung, wenn der Versicherte schon auf dem Sterbebett liegt? Jeder Aufkäufer von Lebensversicherungen würde mehr zahlen als den Rückkaufswert. Dieser ist bei den meisten Versicherungen sowieso denkbar gering, was an den mathematischen Besonderheiten der Versicherungsbranche liegt. Jedenfalls liegt er in den meisten Fällen weit unter der Versicherungssumme, die der Bezugsberechtigte von der Versicherung bei Tod des Versicherten ausgezahlt bekommt.

Trotzdem hat der Bundesgerichtshof den Rückkaufswert als maßgebliche Größe für den Regelfall bestimmt. Je nach Einzelfall komme auch ein höherer Veräußerungswert in Frage, aber auch nur dann, wenn sich der höhere Wert objektiv nachweisen lasse. Ein Beleg für den höheren Wert könnte das Angebot eines gewerblichen Aufkäufers von Lebensversicherungspolicen sein. Allerdings bleibt dieser Ansatz etwas theoretisch. Denn der Bundesgerichtshof fordert, dass der Aufkäufer den Wert „aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versicherungsvertrags festzustellen“. Anders gesagt: Der Policenkäufer soll so tun, als kalkuliere er sein Kaufangebot kurz vor dem Tod des Versicherten, ohne zu wissen, dass der Versicherte schon auf dem Absprung ins Jenseits ist. Wie diese Berechnung bei einer längeren und lebensbedrohlichen Krankheit des Versicherten funktionieren soll, darüber können sich die Richter vermutlich in späteren Fällen noch ihre Köpfe zerbrechen. Der Grund: Wo geerbt wird, wird auch gestritten. Das trifft auch auf die Frage nach der Lebensversicherung beim Pflichtteil zu.