Die Fidium AG aus der Schweiz muss tausende Verträge mit deutschen Kunden rückabwickeln. Der Grund: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit einem Urteil erstmals höchstrichterlich bestätigt, dass auch ausländische Kreditgeber und Vermögensverwalter eine Erlaubnis der deutschen Finanzaufsicht BaFin brauchen, wenn sie systematisch deutsche Kunden umwerben (Aktenzeichen: BVerwG 8 C 2.09).
Wichtig ist, dass es bei der Markttätigkeit nicht auf eine eigene Niederlassung des Schweizer Finanzdienstleisters in Deutschland ankommt. Schon ein auf deutsche Kundschaft ausgerichteter Internetauftritt kann ein erlaubnispflichtiger Vertriebsweg sein.
„Das jetzt veröffentlichte Urteil nützt vor allem Kreditnehmer und Anleger aus Deutschland, die sich auf Kreditgeber oder Vermögensverwalter in der Schweiz eingelassen haben. Sie können ihr Geld jetzt mit höchstrichterlichem Flankenschutz zurückfordern, wenn ihr Schweizer Finanzdienstleister hierzulande ohne Erlaubnis auf Kundenfang war“, erklärt Rechtsanwalt Patrick J. Elixmann.
Der Clou des Leipziger Urteils: Die Erlaubnispflicht gilt auch für solche ausländischen Finanzdienstleister, die in Deutschland keinen eigenen Standort unterhalten. „Auch auf einen Vertragsabschluss in Deutschland kommt es nicht an“, erklärt Rechtsanwalt Elixmann, „es reicht, wenn die ausländischen Finanzdienstleister hierzulande den Vertragsabschluss vorbereiten, also zum Beispiel konkrete Beratungsgespräche führen oder Antragsunterlagen ausfüllen und prüfen.“
Der Urteilsfall: Finanzdienstleister muss Kreditverträge rückabwickeln
Im Urteilsfall ging es um die Fidium AG aus St. Gallen. Diese hat ihre Kleinkredite bevorzugt an deutsche Kunden verkauft. Die Akquise erfolgte zum einen über das Internet. Außerdem wurden in Deutschland tätige Kreditvermittler eingespannt. Diese mussten die Kreditanträge der Kunden auf Vollständigkeit prüfen. Die Fidium versuchte auf diese Weise den Vertragsabschluss in die Schweiz zu verlagern und der deutschen Finanzaufsicht zu entkommen.
Das Bundesverwaltungsgericht hält beide Vertriebswege von Fidium ausdrücklich für erlaubnispflichtig. Selbst das Angebot im Internet kann folglich die Erlaubnispflicht auslösen. Dafür reicht es, wenn ein Seiteninhalt für Internetnutzer in Deutschland bestimmt ist. Der Adressatenkreis muss dabei nicht ausdrücklich genannt sein. „Es genügt ein gezielter Zuschnitt – auch – auf die inländische Zielgruppe“, so das Bundesverwaltungsgericht im Urteilstext.
Laut Urteil vom Bundesverwaltungsgericht haben sich bei der Fidium AG rund 65.000 Kunden mit 108 Millionen Euro verschuldet. 90 Prozent der Kunden wohnen in Deutschland. „Diese Kreditverträge können jetzt rückabgewickelt werden“, sagt Anlegeranwalt Elixmann, „das gilt sogar bei bereits zurückgezahlten Krediten.“
Bei der Rückabwicklung müssen die Kunden zwar das geliehene Geld an Fidium zurückzahlen. Trotzdem kann sich das für die Verbraucher laut Elixmann lohnen. Denn die Kunden bekommen „alle Gebühren, Zinsen und bereits abbezahlten Schulden zurück.“ Das kann sich auf einen schönen Betrag summieren. Denn die Kleinkredite von Fidium waren nicht gerade günstig. Neben hohen Zinsen mussten die Kunden auch teure Gebühren berappen. Wer seinen Kredit schon fast oder komplett abbezahlt hat, macht einen guten Schnitt. „Das Ergebnis ist dann so, als ob der Kunde jahrelang kostenlosen einen Kredit bekommen hätte“, sagt Elixmann.
Auch Kunden von Schweizer Vermögensverwalter profitieren
Die Erlaubnispflicht für ausländische Finanzdienstleister spielt im Verhältnis zur Schweiz eine besondere Rolle. Denn in der Schweiz haben sich neben Kreditvermittlern wie Fidium auch Vermögensverwalter wie die MWB Vermögensverwaltung AG in Appenzell angesiedelt, die systematisch deutsche Kunden mit den vermeintlichen Vorteilen des Finanzplatzes Schweiz umwerben, etwa mit dem Bankgeheimnis oder der Sicherheit vor dem deutschen Fiskus. Auf die MWB haben sich in Deutschland rund 35.000 Kunden eingelassen. Die Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte hat die MWB und auch den Vorstand bereits in mehreren Fällen erfolgreich auf Schadensersatz für geprellte MWB-Kunden verklagt. „Die gute Nachricht ist, dass die Anleger meist vor einem deutschen Gericht klagen können“, sagt Elixmann. Das macht die Forderung nach Wiedergutmachung einfacher als Klagen im Ausland.
Finanzdienstleister wie MWB oder Fidium fühlten sich hinter der Grenze lange sicher vor der deutschen Finanzaufsicht. Dass das Gegenteil zutrifft, hat das Bundesverwaltungsgericht jetzt höchstrichterlich klar gestellt und mit dem Urteil gegen den Kreditvermittler Fidium einen Präzedenzfall geschaffen. Zum Vorteil des Verbraucherschutzes für Kunden in Deutschland.
Schweizer Finanzminister fordert leichteren Marktzugang
Dieses Thema hat noch eine aktuelle pikante Seite: Derzeit verhandeln Deutschland und Schweiz über ein neues Besteuerungsabkommen. Seit April sprechen die Fachbeamten über den Vertrag. Dabei geht es auch um die Zusage der Schweiz, sich zukünftig an die Regeln der OECD zum Austausch steuerlich relevanter Auskünfte zu halten, was es dem deutschen Fiskus leichter machen würde, gegen Steuersünder vorzugehen.
Doch plötzlich fordert der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz laut Neue Zürcher Zeitung von der deutschen Seite Zugeständnisse beim Marktzugang für Schweizer Finanzdienstleister. Diese Forderungen können schnell in Konflikt mit dem neuen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und dem Verbraucherschutz geraten. Anlegeranwalt Patrick J. Elixmann fordert die Bundesregierung deshalb nachdrücklich auf, „bei den Verhandlungen mit der Schweiz keinen faulen Kompromiss einzugehen. Der Marktzugang für Finanzdienstleister aus anderen Ländern darf das Kreditwesengesetzes nicht aushebeln. Dieses dient ausdrücklich auch dem Zweck, unseren Kredit- und Finanzmarkt vor unseriösen oder nicht ausreichend beaufsichtigten Finanzdienstleistern aus dem Ausland zu schützen.“