Bank berät Anleger ohne Rücksicht auf Verluste

Die Citibank hat beim Verkauf von Lehman-Zertifikaten die Anlagewünsche von Kunden ignoriert und falsch beraten. Doch das Landgericht Bonn gibt einer Kundin der Ex-Citibank in Siegburg Recht auf vollen Schadensersatz plus Zinsen. Das Urteil zeigt: Banken dürfen aus einer Beratung kein Verkaufsgespräch machen.

Das Landgericht Bonn hat Bankkunden beim Streit um Verluste mit Lehman-Zertifikaten den Rücken gestärkt. Die in Targobank umgetaufte Citibank muss einer Kundin den Totalverlust mit Lehman-Zertifikaten ersetzen und zusätzlich Zinsen zahlen (Aktenzeichen: 2 O 221/09). „Der Fall zeigt, dass die Citibank Kunden für das eigene Gewinnstreben missbraucht hat“, erklärt Hartmut Göddecke, Fachanwalt für Bank und Kapitalmarktrecht in Siegburg. Seine Kanzlei  hat im Urteilsfall die Anlegerin erfolgreich gegen die Citibank vertreten. Vor Gericht wurde deutlich, dass die Citibank ihre Anlageberater angewiesen hatte, die Anlageziele von Kunden zu ignorieren, um provisionsträchtige Produkte in den Markt zu drücken. Die Citibank heißt seit Anfang 2010 Targobank.

Kundin vertraute dem Rat des scheinbaren Anlageprofis der Bank

Der Fall: Eine Rentnerin aus Siegburg hatte bei der Citibank zuerst in Rentenfonds investiert. Als die Kurse bröckelten, zog sie die Notbremse. Anschließend entschloss sie sich zur risikofreien Anlage in Festgeld. Genau diesen Anlagewunsch hat die Kundin im Beratungsgespräch deutlich geäußert. Trotzdem wurde ihr von der Anlageberaterin ein Lehman-Zertifikat angeboten. Das sei etwas „Besseres als Festgeld“ und dabei genauso sicher, pries die Bankberaterin das Zertifikat an. Die Kundin vertraute dem Rat des scheinbaren Anlageprofis. Bis die Pleite der US-Bank Lehman-Brothers das Gegenteil bewies. Plötzlich war das Zertifikat keinen Cent mehr wert. Ein Verlust von 5100 Euro. „Für so eine Summe muss eine alte Frau lange stricken“, sagt der Anwalt der Bankkundin.

Die Bonner Richter gaben auf die Schuldfrage eine klare Antwort: Die Bank muss den Schaden komplett ersetzen und einen Schlag Zinsen oben drauf legen. Der Grund: Die Bank hat gegen ihre Beratungspflichten verstoßen. „Ein Anlageberater muss seine Kunden anlegergerecht und anlagegerecht beraten“, sagt Göddecke, „doch genau das hat die Citibank nicht getan.“ Den Unterschied zwischen den beiden Pflichten erklärt der Siegburger Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht so: „Anlegergerecht meint, dass die Bank das Wissen des Kunden über Kapitalanlagen und seine Risikobereitschaft berücksichtigen muss. Objektgerecht ist die Beratung, wenn die Bank im Beratungsgespräch alle Karten offen auf den Tisch legt und den Kunden über alle Risiken einer Kapitalanlage aufklärt.“ Und wenn Richter sagen „alle Risken!“, dann meinen sie auch alle Risiken! Banken können sich im Fall von geplatzten Lehman-Zertifikaten also nicht damit herausreden, dass niemand mit einer Pleitewelle bei Banken gerechnet habe.

Citibank hat Anlageziele der Kunden ignoriert

Die Beratung durch die Citibank war schon deshalb nicht anlegergerecht, weil die Mandantin der Kanzlei Göddecke nach Überzeugung der Richter „ausdrücklich eine Festgeldanlage wünschte“. Aus so einem ausdrücklichen Kundenwunsch lässt sich laut Urteil der Charakter des beabsichtigten Anlagegeschäfts ableiten. Doch diesem habe die Bankangestellte nicht Rechnung getragen, als sie der Siegburger Rentnerin das Lehman-Zertifikat als sichere Kapitalanlage vorschlug.

Die Anlageberatung ohne Rücksicht auf Kundenwünsche hatte bei der Citibank offenbar System. Im Urteilsfall gab die Bankberaterin vor Gericht offen zu, dass es der üblichen Beratungspraxis entsprochen habe, Kunden unabhängig von seinem Anlageziel vor allem die bankeigenen Anlageprodukte anzubieten. Das habe sie so machen müssen, so die Bankangestellte vor Gericht.

Die Order kam von oben. Die Citibank hat laut Aussage ihrer damaligen Mitarbeiterin den Kunden selbst dann zuerst ein Lehman-Zertifikat aufgetischt, wenn die Kunden nach einer absolut sicheren Anlage gefragt haben. Ein Problem hatte die Bankerin diesem zweifelhaften Beratungsansatz aber nicht. „Die Citibank hat das Vertrauen von Kunden ausgenutzt, um in die eigenen Kassen zu wirtschaften“, kritisiert Anlegeranwalt Göddecke die Beratungspraxis der heutigen Targobank.

Bank darf aus einer Beratung kein Verkaufsgespräch machen

Mit dieser Beratungspraxis gingen die Bonner Richter hart ins Gericht. „Eine Bank befindet sich im Beratungsgespräch nicht in einer Verkaufssituation“, heißt es im Urteil. Folglich dürfen die Banker einem Kunden, der sie mit einem konkreten Anlagewunsch aufsucht, nicht einfach ein ganz anderes Produkt anbieten als dieser ursprünglich wollte. Folglich kann es sich schon um einen Verstoß gegen die Beratungspflicht handeln, „einen nicht zum Kundenwunsch passenden Anlagevorschlag ins Gespräch zu bringen und den Kunden zu einem weit riskanteren Investment zu veranlassen, als es seinem Wunsch entspricht“, urteilte das Bonner Landgericht. „Die Banken täten gut daran, sich in Zukunft bei der Anlageberatung zusammen zu reißen und auf die Wünsche ihrer Kunden einzugehen“, fordert Anwalt Göddecke.

Im Urteilsfall half der Targobank als Rechtsnachfolgerin der Citibank nicht einmal der Hinweis auf das dokumentierte Risikoprofil der Anlegerin. Dieses hatte die Anlageberaterin in ihren Computer eingegeben, während sie mit der Kundin über deren Anlagewünsche sprach, wobei die Beratung nicht pflichtkonform erfolgte. Entsprechend willkürlich fiel die Einschätzung für die Kundin aus. Deren Risikoneigung wurde als „ausgewogen“ dokumentiert und ihr eine Bereitschaft zur Wertpapierrisikoklasse Drei attestiert. Damit waren klamm heimlich auch die Lehman-Zertifikate erfasst. Für diese Art der Beratung hatte die Citibank einen hübschen Namen: „Die individuelle Finanzplanung der Citibank“ hieß das ausgedruckte Papier. Vor Gericht war es keinen Pfifferling wert.

Zwar versuchen Banken vor Gericht immer wieder, sich mit der Dokumentation eines Beratungsgesprächs herauszureden und dem Kunden die Schuld am Verlust in die Schuhe zu schieben. Längst wissen auch Richter, dass Papier geduldig ist und nicht jedes Risikoprofil der Wahrheit letzter Schluss ist. „Vor Gericht wird deshalb genau geprüft, wie eine konkrete Anlageberatung wirklich abgelaufen ist. Hier sind plausible und schlüssige Aussagen entscheidend“, erklärt Göddecke. Der Siegburger Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht empfiehlt Bankkunden, sich von ihren Banken nicht mit Beratungsmitschriften ins Boxhorn jagen zu lassen. „Das Risikoprofil für einen Kunden ist kein Freibrief für eine Falschberatung“, sagt Göddecke.

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